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C&M-6-2015 > Prozessanalysen für die Industrie 4.0

Prozessanalysen für die Industrie 4.0

foxySPEC-Massenspektrometer analysiert Gase und Flüssigkeiten in Echtzeit

In der Fertigungsindustrie eignet sich die Massenspektrometrie für die präzise Überwachung von chemischen Abläufen und Reaktionen. Mit dem neuartigen Massenspektrometer foxySPEC können nun erstmals bis zu 30 stoffliche Verbindungen in Echtzeit gemessen werden – in Gasen, aber auch in Flüssigkeiten. Außerdem er­möglicht das System dank eines neu entwickelten Einlasses In-situ-Analysen für die Biotechnologie, also Messungen direkt in Fermentern oder anderen Reaktoren. Damit markiert das neue Massenspektroskopiesystem einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Industrie 4.0.

Die Zukunft der industriellen Fertigung liegt in der „Smart Factory“, der intelligenten Fabrik. Die zeichnet sich durch die Vernetzung der einzelnen Teilsysteme und Prozessschritte aus. Dahinter steckt die Grundidee der „Industrie 4.0“, der nächsten Stufe nach der Digitalisierung von Fertigungsprozessen. Dass alle Daten digital erfasst wurden, war der erste Schritt. Nun folgt der automatisierte Austausch dieser Daten. Die einzelnen Teile des Prozesses werden durch diese Kommunikation optimal aufeinander eingestellt und ihr Zusammenspiel kann präzise kontrolliert werden. So wird nicht nur die Produktion als Ganzes optimiert, auch Ressourcen können somit effizienter genutzt werden und die Abläufe lassen sich besser an die menschliche Arbeitskraft anpassen.

Massenspektrometer: genaues Messen – mit Einschränkungen

Voraussetzung für diese Kommunikation ist eine schnelle und genaue Datenerhebung. In der Chemieindustrie oder der Biotechnologie bedeutet das, dass die Zusammensetzung der verarbeiteten Stoffe sowie ihre Veränderungen schnell und präzise gemessen werden können. Nur so ist der direkte Nachweis von Produkten und Nebenprodukten für eine automatisierte Anpassung des weiteren Prozesses möglich.

Für die Untersuchung von Stoffgemischen wird in der Regel die Massenspektrometrie herangezogen, eine zerstörungsfreie Methode zur präzisen Bestimmung der Zusammensetzung. Allerdings war diese ­Messung bisher auf Verbindungen in der Gasphase beschränkt. Für die Untersuchung von Flüssigkeiten dagegen eignete sich die Massenspektrometrie nicht. Für viele Prozesse, vor allem in der Chemieindustrie und in der Biotechnologie, war diese Messmethode somit nicht brauchbar.

foxySPEC – der nächste Schritt zur Industrie 4.0

Für diese Nachteile der Massenspektrometrie haben Fraunhofer-Wissenschaftler nun eine Abhilfe entwickelt: foxySPEC ist ein modifiziertes Massenspektrometer, das in der Lage ist, auch Flüssigkeiten zu analysieren und darüber hinaus durch ein neu konstruiertes Einlasssystem In-situ-Messungen ermöglicht. Gemeint ist eine Messung „am Ort des Geschehens“, also beispielsweise innerhalb eines Bioreaktors, in dem gerade die zu messende und zu kontrollierende Reaktion abläuft. Auf diese Weise erschließt das neue System vollkommen neue Anwendungsgebiete in der Biotechnologie, der Chemie- und Pharmaindustrie sowie in der Lebensmittelproduktion und -verarbeitung.

Die Basis des foxySPEC-Systems ist ein ­modifiziertes Quadrupolmassenspektrometer. Ein gemeinsames Forscherteam der Fraunhofer-Institute für Chemische Techno­logie ICT in Pfinztal und für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart hat dieses mit einer Autokalibrierung ausgerüstet. Die ermöglicht es, bis zu 30 stoffliche Verbindungen in Echtzeit gleichzeitig zu messen. Eine vorherige Auftrennung ist dabei nicht nötig.

Die zweite große Verbesserung gegenüber herkömmlichen Massenspektrometern besteht darin, dass sich nun auch Verbindungen in Flüssigkeiten analysieren lassen. Dafür sorgt ein neuartiger, als Bypass angelegter Einlass zur Analysatoreinheit. Dieser ist mit einer mikroporösen Membran ausgestattet. Durch Unterdruck auf der Permeatseite verdampfen flüchtige Substanzen aus der flüssigen Probe und passieren die Membran. Für polare, flüssige Lösungen ist sie dagegen undurchlässig. Gegen Verstopfungen durch Feststoffe ist die Membran unempfindlich, da sie durch ihre spezielle räumliche Struktur vor derartigen Verunreinigungen geschützt ist.

Messfühler für In-situ-Analysen

In der biotechnologischen Industrie kommt neben der Messung in der Flüssigphase noch die zweite Herausforderung hinzu: Eine Untersuchung der verarbeiteten Stoffe muss „in situ“ erfolgen, also direkt am Ort des Umwandlungsprozesses. Die neuartige Membran wurde von den Fraunhofer-Wissenschaftlern deswegen auch noch in einen gesonderten Messfühler integriert, der direkt in Fermentern oder Reaktoren eingelassen werden kann, um dort die In-situ-Analyse durchzuführen. Dank dieses Fühlers sind darüber hinaus auch weitere räumliche Distanzen von bis zu zehn Metern zwischen Messstelle und Analyseeinheit möglich. Dadurch ist das foxySPEC-System äußerst flexibel einsetzbar.

Auch die Bedienung ist praktisch gestaltet. Über ansteuerbare Ventile kann beliebig zwischen Gas-, Flüssig- und In-situ-Analyse umgeschaltet werden. Aufgrund eines physikalischen Phasentransfers in einer chemisch inerten Membran zeigen die verschiedenen Einlasssysteme keine Querempfindlichkeit und sind darüber hinaus sehr langzeitstabil.

Präzise Messung und automatisierter Betrieb

Das foxySPEC-System verbindet somit neue Analysemöglichkeiten mit der bewährten Präzision eines Massenspektro­meters. Die Nachweisgrenzen des foxySPEC liegen bei unter 10?µg/l und somit im unteren ppb-Bereich. Für eine Gasanalyse ist ein Gasstrom von 1 – 10?sccm ausreichend. Für die Bypassflüssigkeitsanalyse reicht eine Flussrate im Bereich 1 – 10?ml/min. Für schnelle Ansprechzeiten werden zumeist Flussraten zwischen 10?–?100?ml/min. gewählt.

Den Ansprüchen der Industrie 4.0 entspricht das foxySPEC durch seine eigenständige Funktionsweise. Das System ist für einen vollautomatischen Messbetrieb ausgelegt und führt auch selbstständige ­Kalibrierroutinen durch. Außerdem kann zwischen den Einlassvarianten schnell gewechselt werden und für partikelhaltige Proben lässt sich zudem eine Filtration vorschalten.
Darüber hinaus wird das foxySPEC intern durch ein autarkes, in der Industrie bewährtes Automatisierungssystem geregelt, das eine Vielzahl von Schnittstellen für die Kommunikation zur Verfügung stellt. Darüber tritt das Massenspektrometer direkt mit bestehenden Anlagenautomatisierungen in Verbindung, was unter anderem auch eine Anbindung an SCADA-Technologien ermöglicht.

Variable Einsatzmöglichkeiten

Je nach Anwendungsgebiet und den Ansprüchen der Nutzer gibt es drei foxySPEC-Versionen. Die einfachste davon, die Stand-alone-Version, visualisiert die Messe­ergeb­nisse und speichert diese zur weiteren Verwendung auf handelsüblichen Datenträgern wie USB-Sticks oder SD-Karten. Die Standardversion überträgt die Messdaten direkt an die bestehende Automatisierungstechnik. Einen Schritt weiter geht dann die Customer-Version. Diese liest zusätzlich Prozesswerte aus der umgebenden, bereits automatisierten Fertigungsanlage aus. Auf der Grundlage dieser Daten ermittelt das foxySPEC Prozessleitwerte, die zur Unterstützung der Prozessführung an die Anlagentechnik zurückübertragen werden. Das können etwa Sollwerte sein wie Druck- oder Temperaturdaten.

Das foxySPEC kann je nach Einsatzzweck auch als reines Messgerät verwendet werden. In diesem Fall erfolgt die Bedienung über ein Human Machine Interface (HMI), also durch Eingabe per Hand. Wenn das System an eine Prozessautomatisierung angebunden ist, lässt sich das foxySPEC wahlweise manuell oder über die Prozessautomatisierung selbst bedienen.

Foto: © istockphoto.com | pavlinec, kolb_art

C&M 6 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 6 / 2015.
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