Der Insektengeruchssinn als Inspiration für biomimetische BrandsensorikManche mögen´s heißDie meisten Insekten ergreifen wie alle anderen Tiere auch die Flucht, wenn sie in ihrer Umgebung ein größeres Feuer bemerken. Eine kleine Gruppe von Insekten ist jedoch „pyrophil“ und „liebt“ das Feuer. Diese Käfer fliegen Waldbrände an und unterscheiden dabei zwischen verbranntem und nur erhitztem, nahrhaftem Holz für ihre Larven. Dazu nutzt der Käfer insbesondere seinen angepassten Geruchssinn, der ihn durch die Wahrnehmung von spezifischen Markersubstanzen über Ort und Art des Brandes informiert. Am Beispiel der Geruchswahrnehmung des Schwarzen Kiefernprachtkäfers Melanophila acuminata wurden so biomimetische Brandsensoren zur Schwelbrandfrühwarnung in Braunkohlebunkern sowie zur sensorgestützten Optimierung der Prozesskontrolle in einem industriellen Holzpartikeltrockner entwickelt. Abb. 1 Der Schwarze Kiefernprachtkäfer (Melanophila acuminata) Das biologische System In sämtlichen Klimaten ist der Waldbrand ein wichtiger Prozess im Lebenszyklus des Waldes. Das Vorkommen mancher Pflanzen- und Tierarten hängt sogar vom regelmäßigen Auftreten von Waldbränden ab. „Pyrophile“, das heißt „Feuer liebende“ Insekten sind ein Beispiel für eine solche Abhängigkeit. Da Waldbrände jedoch räumlich und zeitlich unregelmäßig verteilt auftreten, stellt sich die Frage, wie pyrophile Insekten diese aus großer Entfernung auffinden können, es also eine evolutionär optimierte Form einer Waldbrandfernerkennung gibt. Heimische Schwarze Kiefernprachtkäfer Melanophila acuminata (Abb.1) beiderlei Geschlechts treffen hart an der Flammenfront zusammen, wo man es als Mensch kaum noch aushält und häufig paaren sich die Käfer, wenn die Flammen noch lodern. Ist das Feuer erloschen, legen die Weibchen ihre Eier unter die Rinde der verbrannten Bäume. Nach dem Schlüpfen fressen die Larven in den durch die Hitze schon „vorgegarten“ Bast- und Holzschichten. Die Larven können sich ausschließlich auf brandgeschädigten Bäumen ohne funktionsfähige Abwehr entwickeln und brauchen 1–3 Jahre bis zum ausgewachsenen Insekt [1,2]. Wie unsere Untersuchungen zeigen konnten, erfolgt das Auffinden von Waldbränden mittels ihres Geruchssinns für brandspezifische Duftstoffe in Kombination mit Infrarot-Grubenorganen am Thorax [1,2]. Die Antennen von M. acuminata können Guaiakol-Verbindungen im Rauchgas besonders empfindlich nachweisen (bis ein milliardstel Gramm pro Milliliter). Nach erfolgreichem Auffinden der Brandfläche und nachfolgender Paarung steht das Weibchen nun vor der Frage, an welchen Baum sie ihre Eier ablegen soll, um ihrem Nachwuchs die besten Chancen zu geben. Oberflächlich verrußte Bäume sind von solchen, die bis zum Kern verkohlt sind, optisch nicht zu unterscheiden. Optimale Bedingungen findet der Nachwuchs jedoch nur in Bäumen, deren Bast und Holz zwar erhitzt und damit vorzersetzt, aber noch nicht verkohlt sind. Aufgrund der beginnenden thermischen Aufspaltung von Holzbestandteilen wie Hemizellulosen und Zellulosen setzt Holz in Erhitzungsstadien vor der Entzündung Furan-Verbindungen frei, die vom Käfer gerochen werden können [3].
Abb.2 Vergleich der Temperaturabhängigkeit der einzusetzenden Heizleistung (blau) und der Diffusion von Wasser in Holz (grün) als geschwindigkeitsbestimmender Schritt des Trocknungsprozesses. Die unterschiedlichen Rottöne markieren die Zonen des Sicherheitsbereichs bis zum Flammpunkt von Holzspänen (190°C) an Luft [7].
Abb.3 Schwelbrandsensorsystem für die Brandfrühwarnung in Braunkohlelagern [4]
Abb.4 Trocknereinlaufsbereich/ Trommeltrockner Glunz AG, Werk Nettgau (Foto: Glunz AG)
Die Inspiration Die klassische Art der Detektion von Schwelbränden durch Gassensoren beruhte auf dem Nachweis der anorganischen Spurengase Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Stickstoffdioxid [4]. Dies brachte jedoch das Problem der Abgrenzung von Schwelbränden von anderen Verbrennungsprodukten mit sich, wie sie durch den Betrieb von Benzin- oder Dieselmotoren freigesetzt werden. Das heißt: Eine Differenzierung nach der Art des brennenden Materials wurde notwendig – Holz, Kohle, Gras, Benzin etc. Ein Blick auf den Schwarzen Kiefernprachtkäfer, der anhand der Fernwahrnehmung von Guaiakol-Verbindungen pyrolytisch zersetztes Lignin von Holz klar von brennendem Gras oder Benzin unterscheiden konnte, lieferte die Inspiration: Die Ergänzung der klassischen Festkörpersensor-Arrays durch einen Sensor, der spezifisch Guaiakol-Derivate detektieren und so Abgase von Verbrennungsmotoren von Schwelgasen aus ligninhaltigem Material wie Holz oder Braunkohle unterscheiden kann [5]. Bei der Nutzung nachwachsender Rohstoffe für die Produktion moderner Verbundmaterialien spielt Holz für die Fertigung von Holzfaserplatten eine besondere Rolle. Die energieintensive Trocknung der Holzfasern vor der Verarbeitung ist hier ein wichtiger Parameter für die ökonomische und ökologische Bewertung dieser Produkte. Die Energieeffizienz dieses Verfahrens kann durch eine Erhöhung der Trocknungstemperatur verbessert werden, doch steigt dann auch die Gefahr einer spontanen Selbstentzündung der Holzpartikel. Eine Erhöhung der Trocknerluft-Ausgangstemperatur von 150°C auf 155°C erbringt bei einer Erhöhung des Energieeinsatzes von 3% eine Steigerung der Trockengeschwindigkeit von 12% (Abb.2) [6]. Ein Blick auf den Schwarzen Kiefernprachtkäfer, der anhand der Wahrnehmung von Furan-Verbindungen erhitztes Holz klar von entzündetem Holz oder wenig erhitztem Holz unterscheiden konnte, lieferte die Inspiration: Eine sensorgestützte Optimierung der Prozesskontrolle auf der Basis der Detektion von vorbrandstufentypischen Furan-Verbindungen, wie sie von den pyrophilen Käfern für die Auswahl des geeignetsten Eiablageplatzes genutzt werden [6]. Die technische Sensorik Die Vorteile von MOS-Halbleitergassensoren gegenüber anderen Gassensorprinzipien sind insbesondere hohe Empfindlichkeiten gegenüber den jeweiligen Zielsubstanzen, Miniaturisierbarkeit, lange Lebensdauer und die Möglichkeit, sowohl in Klein- als auch in Großserienstückzahlen kostengünstig zu produzieren. Beim Verbrennen und Verschwelen von Holz oder Braunkohle entstehen unter anderem Methoxy-Phenole [1]. Untersuchungen des Instituts für Angewandte Physik (IAP) der Universität Gießen zeigten, dass zinndioxidbasierte Sensorwirkschichten besonders geeignet für die Detektion von Methoxy-Phenolen wie Guaiakol sind [8]. Dieser Sensor konnte nun mit dem bewährten Schwelbrandsensorarray der Firma GTE kombiniert werden und als industriell nutzbarer Schwelbranddetektor in Braunkohlebunkern der RWE AG die ersten Jahre Praxistest bestehen (Abb.3). Zur Entwicklung der sensitiven Schichten für die Vorbrandwarnung in industriellen Holzpartikeltrocknern (Abb.4) wurden vom IAP neuartige Materialstrukturierungsmethoden genutzt. Hierzu gehören die Synthese von mesoporösem WO3-Pulver durch Templating-Verfahren und die Nanostrukturierung der Materialoberflächen. Mit einen Multisignalgewinnungsverfahren auf der Basis von Temperaturzyklen [4] konnten die Gassensoren die Markervolatile aus dem erhitzten und schwelenden Holz querempfindlichkeitsfrei detektieren und eine Differenzierung der Gasgemische in einer Brandkammer gemäß unterschiedlichen Erhitzungsgraden über die Vorbrandstufe bis zur Selbstentzündung vornehmen. Die ersten Sensorprototypen sowie das technische Sensorarray zur Charakterisierung und für die Testläufe an unterschiedlichen Positionen des Trommeltrockners der Glunz AG wurden zusammen mit der Firma UST entwickelt und hergestellt.
Literatur
Foto: © panthermedia | Ron Sumners |
C&M 6 / 2013Das komplette Heft zum kostenlosen Download finden Sie hier: zum Download Der Autor:Weitere Artikel online lesenNewsAhlborn GmbH: Hochgenaue Temperaturmessung mit digitalen FühlernBei über 80 % aller industriellen Messaufgaben werden Temperaturen gemessen. Wichtig ist das Zusammenspiel von Messgerät und Fühler sowie die verwendete Technologie. Aus der Präzisionsschmiede, der Firma Ahlborn aus Holzkirchen bei München, kommt jetzt ein Messsystem für hochgenaue Temperaturmessung, das nicht nur im Labor verwendet werden kann.© Ahlborn Mess- und Regelungstechnik GmbH |