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Nachwachsende Rohstoffe für den Kunststoffsektor

Renaissance der Biopolymere

Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz, CO2-Emissionen – das sind Kernthemen der globalisierten gesellschaftlichen Entwicklung, die auch von der polymererzeugenden und -verarbeitenden Industrie aufgegriffen werden. So rücken native Polymere wie Cellulose, Lignin oder Stärke, aber auch (partiell) biobasierte Polyamide oder Polylactid (PLA) in den Fokus des Interesses. Verbesserte Material- und Verarbeitungseigenschaften dieser Polymerklasse sind Gegenstand der hier vorgestellten ­Forschungsarbeiten im Rahmen des FNR-geförderten Verbundprojektes „Biopolymerverbund“.

Native Polymere

Von jeher spielt die Cellulose als mengenmäßig häufigster nachwachsender Rohstoff und Hauptbestandteil des Holzes eine bedeutende Rolle in den Bereichen Bau, Möbel-, Papier- und Textil­industrie. Aber auch im Kunststoffsektor werden cellulosische Fasern zunehmend als Verstärkungskomponenten eingesetzt und Produkte wie WPC (wood plastic composites) in der Profilextrusion erzeugt oder Naturfasermatten in Pressverfahren eingesetzt. Ein Sprung im Eigenschaftsniveau wird durch die Verwendung cellulosischer Spinnfasern erreicht. Diese Fasern werden durch Auf­lösung von Cellulose bzw. -derivaten und anschließendes Verspinnen hergestellt und derzeit textil (Viskose) oder als Verstärkung in High-Performance-Reifen (Rayon) eingesetzt. Der im Projekt verfolgte Ansatz der Verstärkung von bio­ba­sierten Thermoplasten wie PLA oder Bio-Polyamid mit Rayon führte zu exzellenten Eigenschaften auf dem Niveau von Glasfasercompo­siten [1][2]. In Zusammenarbeit mit dem Faserhersteller Cordenka­ GmbH wurden darüber hinaus thermostabilere Fasern entwickelt, die den Einsatz in höherschmel­zenden Thermoplasten erlauben [3].

Ein weiterer Hauptbestandteil des Holzes ist Lig­nin, ein polyaromatisches Makromolekül, bestehend aus variablen Anteilen an Cumaryl-, Coniferyl- und Sinapylalkohol, das derzeit vorwiegend zur Energieerzeugung in den Zellstoffwerken eingesetzt wird. Die Möglichkeiten des stofflichen Einsatzes wurden für biobasierte Epoxidharz­systeme und Blends mit Polyolefinen untersucht. Prototypisch wurden in Zusammenarbeit mit der Pracht Lichttechnik GmbH LED-Lampengehäuse entwickelt, die aus ligninharzgebundenen Naturfasergeweben bestehen. Zusammen mit der Tecnaro GmbH wurden morphologieoptimierte Blends aus Lignin und Polyolefinen [4] mit bis zu 70?% Lignin entwickelt, die hervorragende mechanische Eigenschaften­ einschließlich hoher Schlagzähigkeit besitzen und Preisvorteile gegenüber reinen Polyolefinen bieten.­

Ein weiterer wichtiger nachwachsender Rohstoff ist Stärke, die außerhalb des Nahrungsmittelsektors­ eine breite Verwendung in der Papierindustrie findet. Blends mit Polyolefinen (auch biobasierte) und PLA stellen eine wenig untersuchte, weitere Option für technische Anwendungen dar. Hier wurden die Möglichkeiten des Schaumspritzgusses bei der Firma Engel Austria GmbH und der Verarbeitung zu Blasfolien und Tiefziehartikeln gemeinsam mit der Firma Biotec untersucht. Im Vergleich mit herkömmlichen Blendpartnern wie aliphatischen Polyestern ergeben sich Vorteile in Bezug auf Gewichtsreduktion, verbesserte Steifigkeit und Festigkeit, reduzierte Wasseraufnahme [5] und Kosten.


Granulat und spritzgegossene Bauteile aus biobasiertem Polyamid mit Celluloseregeneratfasern
Bild: © Universität Kassel/Paavo Blafield

Biokunststoffe

Biokunststoffe sind Kunststoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe, die in Abhängigkeit von der chemischen Struktur auch biologisch abbaubar sein können. Zu den bekanntesten kommerziell erhältlichen Bio­kunststoffen gehören Polylactid (PLA), Bio-Polyethylen (Bio-PE) und seit Langem schon verschiedene Bio-Polyamide (Bio-PA). Als Rohstoffe für die Synthese dieser Kunststoffe werden vor allem Kohlenhydrate aus Mais oder Zuckerrohr, aber auch pflanzliche Öle wie beispielsweise Rizinusöl eingesetzt.

Im Rahmen des Projekts wurden gemeinsam mit der Firma Clariant Masterbatches GmbH die Möglichkeiten zur Verbesserung des Verarbeitungsverhaltens von PLA durch den Einsatz von Kettenverlängerern untersucht. Hierbei konnten die Viskosität, die Schlagbiege- sowie die Zugeigenschaften deutlich verbessert werden. Erzielt wurde dieses Ergebnis durch Zugabe ausgewählter Katalysatoren, um die Reaktionstemperatur und -geschwindigkeit zu reduzieren. Daraus ergeben sich für kunststoffverarbeitende Betriebe neben verarbeitungstechnischen auch wirtschaftliche Vorteile, die die Verwendung von Biokunststoffen attraktiver macht. Gemeinsam mit dem Medizintechnikhersteller B.Braun Melsungen AG konnte ebenfalls eine positive Wirkung des Kettenverlängerers auf die Schlagzähigkeit bei sterilisierten PLA-Prüfkörpern festgestellt werden.
Als weiteres Additiv für den vergleichsweise spröden Biokunststoff PLA wurden Schlagzähmodifikatoren auf Basis von Ethylen-Copolymeren untersucht. Diese zeigten eine deutliche Erhöhung der Bruchdehnung und der Energieabsorption bei schlagartiger Beanspruchung, sodass ein größerer Anwendungsbereich ermöglicht wird [6].


Optimierung der Morphologie von Lignin-Polyoelfin-Blends
Bild: ©Fraunhofer IAP

Hinsichtlich der Verarbeitungstechnik wurden gemeinsam mit dem Maschinenhersteller Zeppelin Systems GmbH und der Firma Albis Plastic GmbH optimierte Verfahrenseinstellungen am Doppelschneckenextruder und deren Einfluss auf die Material­eigenschaften untersucht. Dabei wurde gegenüber den untersuchten PP-Compounds ein signifikanter Einfluss der Extruderkonfiguration auf die Verarbeitbarkeit der PLA-Compounds festgestellt, woraus optimierte Prozessbedingungen abgeleitet werden konnten.

Faserverbunde

Biokunststoffe können ebenso wie konventionelle Kunststoffe mit Fasern verstärkt werden, um das Eigenschaftsspektrum zu erweitern. Neben den weitverbreiteten Verstärkungsfasern aus Glas oder Kohlenstoff wurden für die Biokunststoffe vor allem Fasern aus nachwachsenden Rohstoffen untersucht. Diese ermöglichen in Kombination mit den Biokunststoffen PLA und Bio-PA die Herstellung vollständig biobasierter Verbundwerkstoffe. Aufgrund der geringen Dichte von Cellulose weisen cellulosefaserverstärkte Bauteile gegenüber glasfaserverstärkten bei gleichem Faseranteil ein geringeres Gewicht auf. Im Fokus der Untersuchungen standen dabei die bereits erwähnten cellulosischen Spinnfasern.

Prozesstechnisch anspruchsvoll ist die Einarbeitung von Cellulosefasern in Polyamide, die eine Verarbeitungstemperatur von über 200?°C aufweisen. Hier konnten durch die Anwendung eines Pultrusionsverfahrens und angepassten Prozessparametern exzellente mechanische Eigenschaften erzielt werden [2]. So weisen kurz­faser­verstärkte Thermoplaste mit Viskosefasern deutlich höhere Schlagzähigkeiten auf als solche mit der üblichen Glasfaserverstärkung. Zudem bieten die neuentwickelten Viskosefasern mit höherer thermischer Belastbarkeit [3] weiteres Potenzial im Bereich der mechanischen Eigenschaften von technischen Bioverbundwerkstoffen.

Ein industriell einsetzbares, energieeffi­zientes und faserschonendes Compoundierverfahren für Bio-PA unter Verwendung spezieller Knetelemente im Doppelschneckenextruder wurde unter der Federführung der Firma Zeppelin Systems GmbH entwickelt. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass PLA-Verbunde aus dem diskontinuierlich arbeitenden Heiz-Kühl-Mischer vergleichbare Eigenschaften erzielen wie die aus dem Doppelschneckenextruder.

Im Rahmen von seriennahen Verarbeitungsversuchen im Spritzguss und der Profilextrusion bei den Projektpartnern Denk Kunststoff Technik GmbH, Technoform Kunststoffprofile GmbH und Hettich GmbH wurden Bauteile aus den biobasierten Faserverbunden hergestellt, die gegenüber den serienmäßig verwendeten Faserverbundwerkstoffen nicht nur einen signifikanten Gewichtsvorteil zeigen.

Fazit

Biopolymere aus nachwachsenden Rohstoffen erleben derzeit eine Renaissance. Aspekte der Nachhaltigkeit und der Reduktion der CO2-Emissionen spielen dabei eine zentrale Rolle. Um eine verstärkte Marktdurchdringung zu erreichen, müssen kosten-effiziente Herstellungsverfahren entwickelt, optimierte Verarbeitungsverfahren gefunden und Materialeigenschaften in Hinblick auf konkrete Anwendungen verbessert werden. Hier gilt es, den 60-jährigen Vorsprung der erdölbasierten Kunststoffe aufzuholen, wozu die angewandte Forschung ihren Beitrag leistet.

Literatur
[1] Erdmann, J., Ganster, J., Fink, H.-P., PLA meets rayon – Tough PLA compounds reinforced with cellulose rayon for injection molding. bioplastics MAGAZINE [03/12] Vol. 7, p. 22
[2] Feldmann, M., Bledzki A.K., Bio-based polyamides reinforced with cellulosic fibres – Processing and properties, Comp. Sci. Technol. 100(2014), 113-120
[3] Mössinger, D., Zimmerer, B., Uihlein, K., Zengel, A., Einsiedel, R., Kiesling, F., Cellulose filaments with improved thermostability, WO2013144261
[4] Erdmann, J., Engelmann, G., Ganster, J., Micro-structured composite material, method for producing same, moldings made of same, and uses thereof. WO2014121967
[5] Fuchs J., Feldmann M., Heim H.-P,. Natürlich und fest anbinden. Kunststoffe 103 (2013) 8, S. 100-103
[6] Mamun A.A., Heim, H.-P., Modification of semi-crystalline PLA: Impact, tensile and thermal properties. J. Biobased Mater. Bioenergy 8(2014), 292-298

Bild: © istockphoto.com| Tarzan9280

C&M 1 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 1 / 2015.
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