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Aromavielfalt durch Bierhefe

Von Ale bis Weizenbier

Das Aromaprofil eines Bieres ist von ­einer Reihe von Faktoren ­abhängig. ­Neben Hopfenkomponenten und Röst­aromen des Malzes wird das Bieraroma hauptsächlich von Gär­ungsnebenprodukten der Hefe bestimmt. Für die ­Herstellung diverser Biertypen wie ­etwa Ale, Alt, Dunkles, Helles, Kölsch, Pils, Weizenbier etc. steht eine große Vielfalt verschiedener Hefestämme zur ­Verfügung, die dem Bier ­mitunter sein sorten­typisches Aroma verleihen.

Charakterisierung der Bierhefen

Die Hefe stellt beim Bierherstellungsprozess einen entscheidenden Faktor dar, da sie bei der alkoholischen Gärung die in der Würze enthaltenen Zucker in Alkohol und Kohlensäure umwandelt. Im Allgemeinen werden zwei Arten von Bierhefen unterschieden – die untergärige (Saccharomyces pastorianus ssp. carlsbergensis) und die obergärige Kultur­hefe (Saccharomyces cerevisiae). Neben den Kulturhefen, die über gute Gär­eigenschaften verfügen, gibt es noch eine weitere Hefegruppe – die Gruppe der „Fremdhefen“. Zu den Fremdhefen oder auch als „wilde Hefen“ bezeichneten Stämmen werden üblicherweise in der Luft vorkommende Hefen oder auch gärschwache Hefen gezählt, die bei der Bierherstellung jedoch kaum Verwendung finden.

Zwischen den hauptsächlich in der Brauerei eingesetzten Kulturhefen bestehen zahlreiche morphologische und gärungstechnologische Unterschiede (siehe Abb. 1), auf die im Folgenden näher eingegangen wird.


Abb.1 Unterscheidungsmerkmale unter- und obergäriger Kulturhefe

Mikroskopisch können untergärige und obergärige Hefen anhand ihrer Sprossungsbilder unterschieden werden. Während unter­gärige Hefen nahezu ausschließlich als Einzelzellen bzw. Zellpaare vorliegen, bilden obergärige Hefen große Zellverbände. Im Laufe der Gärung wird in der Hefezelle Kohlensäure gebildet und ausgeschieden. Die CO2-Bläschen lagern sich außen an den Zellverbänden ab und befördern sie an die Oberfläche des sog. Jungbieres (Bier in der Hauptgärphase). Durch diesen Auftrieb von Hefezellen bildet sich auf dem Bier eine dicke Schaumkrone, die in der Brauereifachsprache auch als „Kräusen“ bezeichnet wird. Untergärige Hefen bieten hingegen kaum Haftungsfläche für die Kohlensäure und sinken deshalb am Ende der Gärung auf den Boden des Gärtanks ab. Die Bezeichnung unter- bzw. obergäriges Bier ­beruht demnach auf dem jeweils charakteris­tischen Erscheinungsbild der Hefe am Ende der Gärung.

Zu den bekannten untergärigen Biersorten werden z.B. Bockbier, Exportbier, helles Vollbier, Lagerbier, Märzen oder Pils gezählt (Abb. 2).


Abb.2 untergärige Biersorten

Zu den obergärigen Bieren gehören u.a. Altbier, Berliner Weiße, Kölsch, Weißbier sowie die aus England stammenden Sorten Ale und Porter (Abb. 3).


Abb.3 obergärige Biersorten

Die Kulturhefen unterscheiden sich zudem stark hinsichtlich der angewandten Gärtemperaturen. Mit untergäriger Bierhefe wird bei Temperaturen zwischen 8 und 15°C gearbeitet. Die obergärige Hefe benötigt ein Temperaturniveau zwischen 15 und 25°C und vergärt den Malzzucker aufgrund der höheren Temperatur etwas schneller als die untergärige Hefe. Innerhalb der genannten Temperaturbereiche bilden sich für die jeweilige Bierart die typischen Aromakomponenten, die im nächsten Abschnitt genauer beschrieben werden [1, 2].

Aromastoffe im Bier

Bier beinhaltet sehr viele verschiedene Aromen, die in ihrem Zusammenspiel über den Charakter des Produkts entscheiden. Während der Gärung werden in erster Linie höhere Alkohole, Ester, organische Säuren, vicinale Diketone und Schwefelverbindungen gebildet [3]. Vicinale Diketone wie Diacetyl und 2,3-Pentandion, die in höherer Konzentration zu einem unerwünschten Butteraroma führen, werden während der Reifungsphase von der Hefe abgebaut. Schwefelverbindungen können vor allem im untergärigen Bereich eine angenehme schweflig-hefige Note im Bier hervorrufen, die aber im obergärigen Bereich weniger erwünscht ist. Die beiden größten und wichtigsten aromagebenden Gruppen stellen die höheren Alkohole sowie die Ester dar.

Höhere Alkohole sind prinzipiell eher negativ zu bewerten, da sie zu einem meist unangenehmen alkoholischen Charakter im Bier beitragen können. Es gibt jedoch auch andere Vertreter wie z.B. das 2-Phenylethanol, das mit seinem rosenartigen Charakter einen positiven Einfluss auf das Geschmacksbild haben kann. Höhere Alkohole werden besonders bei warmen Gärtemperaturen gebildet. Demzufolge ist die Konzentration dieser Stoffe bei obergärigen Bieren deutlich höher als bei untergärigen Bieren.

Die Gruppe der Ester lässt sich in zwei Hauptgruppen einteilen. Zum einen gibt es die Gruppe der Fettsäureester (Hexansäure­ethylester, Decansäureethylester etc.), zum anderen die Gruppe der Acetatester. Die Hauptvertreter der Acetatester sind Isoamylacetat (sog. „Bananenester“) und Ethylacetat, die vor allem im obergärigen Bereich eine sehr wichtige Rolle spielen. Je nach Art des Biertyps (unter- oder obergärig) sind mehr oder weniger Ester erstrebenswert. Prinzipiell lässt sich jedoch für alle Bierarten sagen, dass das Verhältnis Ester zu höheren Alkoholen zu Gunsten der Ester ausfallen sollte.

Eine weitere Aromakomponente, die nur von obergärigen Hefen gebildet wird, ist das 4-Vinylguajacol. Es gehört zur Gruppe der Phenole und wird im Bier als Gewürznelkenaroma wahrgenommen.

Je nach Konzentration und Komposition dieser Aromakomponenten können im Bier auch in Verbindung mit Hopfen­inhaltsstoffen fruchtige, zitrusartige oder auch angenehm hefige Noten in Erscheinung treten.

Neben dem Hefestamm haben weitere Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf die Bildung der Aromastoffe. Dazu zählen der Stammwürzegehalt (Summe aller in der Würze gelösten, nicht flüchtigen Inhaltsstoffe aus Malz und Hopfen vor der Gärung), der Sauerstoffgehalt der Würze, die Gärtemperatur, die Hefeernährung (freier Amino­stickstoff, Zink etc.), die Hefevitalität, der CO2-Partialdruck und die Tankgeometrie bzw. die Konvektion [4].


Abb.4 Anzuchtzeiten der verschiedenen Hefeversandtypen und die Zeitpunkte der Qualitätssicherungs-Probenahme

Hefestämme in Reinstform

Die Aromavielfalt eines Bieres hängt, wie angesprochen, maßgeblich von der Wahl und der Qualität des Hefestammes ab. Hierzu bietet das Hefezentrum des Forschungszentrums Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität neben altbewährten Stämmen wie z.B. der untergärigen Bruchhefe TUM 34/70 oder auch der obergärigen Weizenbierhefe TUM 68 über 90 verschiedene Reinzuchthefestämme an. Innerhalb dieser großen Auswahl können auch Spezialhefen wie beispielsweise der Stamm Saccharomycodes ludwigii zum Einsatz kommen. Dieser Stamm zählt in der Brauerei zu den Fremdhefen. Es handelt sich um eine gärschwache Art, da sie nicht in der Lage ist, die Zucker Maltose und Maltotriose, die ­einen Großteil der Würzezucker darstellen, zu vergären. Von den Würzezuckern vergärt sie nur Glucose und Saccharose. Diese Tatsache hat für den Brauer jedoch unter Umständen einen großen Vorteil. So können mit diesem Hefestamm alkoholarme Biere produziert werden, ohne aufwändige Verfahren wie die Umkehrosmose anwenden zu müssen [5].

Egal, für welchen Hefestamm sich eine Brauerei entscheidet, die Qualitätssicherung spielt während der einzelnen Stufen der Hefevermehrung eine wichtige Rolle. Die Hefevermehrung ist notwendig, um aus einer geringen Menge (Starterkultur) die für die Produk­tion erforderliche Hefemenge herzustellen. Reinzuchthefen sollen hierbei stets frei von bierschädlichen Organismen und anderen Begleitkeimen sein, um Fehlaromen im Bier zu vermeiden. In diesem Zusammenhang müssen die einzelnen Reinzuchthefestämme mit unterschiedlichen Nährmedien untersucht werden, um die potenziell schädliche Flora nachzuweisen. Für die Gewährleistung einer optimalen Reinkultur kommen demzufolge diverse mikro- und molekularbiologische Untersuchungsmethoden zum Einsatz, auf die in diesem Artikel aufgrund der großen Bandbreite nicht näher eingegangen werden kann. In Abbildung 4 sind die Anzuchtzeiten der verschiedenen Hefeversandtypen und die Zeitpunkte der Quali­tätssicherungs-Probenahmen veranschaulicht [6].

Fazit

Das Aromaprofil eines Bieres hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Die Wahl des Hefestammes spielt dabei eine entscheidende Rolle. In Verbindung mit den technologischen Parametern bei der Gärung und Reifung des Bieres (Würzezusammensetzung, Druck, Temperatur etc.) ist man in der Lage, eine Vielzahl verschiedener Biere zu kreieren. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang eine saubere Arbeitsweise, um unerwünschte Kontaminationen der Kulturhefe mit bierschädlichen/bierverderbenden Mikroorganismen zu vermeiden. Betrachtet der Brauer demzufolge seine Hefe nicht nur als „Mittel zum Zweck“ und arbeitet akkurat und sauber, so steht einer guten Bierqualität nichts im Wege.

Literatur

[1] Narziß, L. (1980), Abriss der Bierbrauerei, 199.
[2] Heyse, K.-U. (1994), Handbuch der Brauerei-Praxis, 168.
[3] Geiger, E., Praxishandbuch der Brauerei, Grundwerk, 7–8.
[4] Schneiderbanger, H. (2012), Brauindustrie, 4, 28–29.
[5] Stretz, D. et al. (2011), Der Weihenstephaner, S. 76–77.
[6] Stretz, D. et al. (2010), Brauwelt, 36, 1080–1081.

Foto: photocase.com, lenipopeni

Stichwörter:
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C&M 3 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 3 / 2013.
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