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Ein Weg zur Produktion von Wasserstoff aus regenerativen Quellen

Grüner Wasserstoff aus Mikroalgen

Wasserstoff wird heutzutage immer wieder in Verbindung mit einer zukünftigen nachhaltigen Energie­wirtschaft genannt, da seine Nutzung emissionsfrei verläuft. Dazu ist es jedoch wichtig, Wasserstoff im Gegensatz zu heutigen Verfahren aus regenerativen Quellen zu gewinnen. Mikroalgen bieten die Möglichkeit, diesen – unter Zuhilfenahme von Sonnenlicht und Wasser – auf natürlichem Wege zu produzieren. Klingt einfach!? Bis zu einem wettbewerbs­fähigen Prozess sind allerdings noch einige Hürden zu nehmen.

Regenerativer Wasserstoff als Bestandteil der zukünftigen Energieversorgung

Die Verknappung fossiler Energieträger, steigende CO2-Emissionen und die gleichzeitig wachsende Weltbevölkerung stellen Probleme dar, mit denen sich die Gesellschaft heutzutage intensiv auseinandersetzen muss. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung im Jahr 2010 ein Programm verabschiedet, in dem Maßnahmen geschaffen wurden, die CO2-Emissionen Deutschlands bis zum Jahr 2020 um 40% im Vergleich zum Jahr 1990 zu reduzieren [1]. In diesem Zusammenhang wird Wasserstoff als Energieträger oft als eine wertvolle Alternative genannt, da seine Nutzung, beispielsweise in Brennstoffzellen, emissionsfrei verläuft. Da reiner Wasserstoff in der Natur jedoch nur als Verbindung (vor allem in Wasser) vorkommt, muss dieser zunächst gewonnen werden. Heutzutage wird nahezu die gesamte jährlich produzierte Menge von 600Mrd.Nm³ Wasserstoff aus fossilen Energieträgern, vornehmlich mittels Dampfreformierung, gewonnen [2].

Eine Möglichkeit, Wasserstoff regenerativ zu erzeugen, ist die Nutzung biologischer Prozesse. Bestimmte Organismen können die Energie der Sonne nutzen, um Wasserstoff mithilfe der Fotosynthese zu produzieren. Dieser Vorgang wird fotobiologische Wasserstofferzeugung genannt. Bis heute sind Grünalgen und Cyanobakterien die einzigen bekannten Organismen, die diese Fähigkeit zur Wasserstofferzeugung besitzen [3]. Die einzellige Grünalge „Chlamydomonas reinhardtii“ ist eine dieser Organismen, deren Fähigkeit, Wasserstoff unter speziellen Bedingungen zu erzeugen, nachgewiesen ist.

Biologische Grundlagen und Forschung

Das Grundprinzip dieses natürlichen Prozesses ist relativ simpel. Unter Einfluss des Sonnenlichts wird innerhalb der Zelle Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Entscheidend ist ein Enzym mit dem Namen Hydrogenase (H2ase), das die durch das Fotosystem transportierten Elektronen aus der Wasserspaltung mit den freien Protonen zu Wasserstoff katalysiert. Dieses Enzym wird in der Grünalge unter Schwefelmangelbedingungen aktiviert. Darauf wechselt der Metabolismus der Alge von der normalen CO2-Fixierung zur Wasser-stoffproduktion(Abb.1).

Das Problem bei der Grünalge ist die Sensitivität ihrer Hydrogenase gegenüber Sauerstoff, der als Beiprodukt gebildet wird. Deshalb kann die Wasserstoffproduktion nur unter anaeroben Bedingungen und für sehr kurze Zeiträume stattfinden. Berücksichtigt man diese Einschränkungen, ist die Grünalge derzeit in der Lage, bis zu 5ml Wasserstoff pro Liter Algensuspension und Stunde zu produzieren [4].

Um den Prozess zu bewerten und zu verbessern, arbeiten Ingenieure und Biologen in dem vom Bundesministerium für Forschung geförderten Verbundprojekt „H2-Designcells“ zusammen. Ziel dabei ist es, einen Designorganismus zu entwickeln, der die genannten Nachteile der Grünalge kompensiert und die Vorteile aus unterschiedlichen Organismen vereint, um einen robusten und hocheffektiven Organismus zu erzeugen. Grundlage dieses neuen Organismus stellt das Cyanobakterium „Synechocystis 6803“ dar, das genetisch sehr gut charakterisiert und veränderbar ist und sich zudem durch seine Robustheit auszeichnet. Weiterhin untersucht der Lehrstuhl Energiesysteme und Energiewirtschaft der Ruhr-Universität Bochum den derzeitigen Prozess und bewertet ihn hinsichtlich energetischer, ökologischer und ökonomischer Kriterien, um Entwicklungspotenziale aufzuzeigen und Schwächen zu identifizieren.


Abb.1 Vereinfachte Darstellung des fotobiologischen Wasserstofferzeugungs- prozesses innerhalb des Organismus unter Schwefelmangelbedingungen


Abb.2 5 l-Fotobioreaktor im Labor mit künstlicher Beleuchtung


Abb.3 Ergebnisse der Ökobilanzen unterschiedlicher Wasserstofferzeugungs- verfahren, aufgeteilt nach kumuliertem Energieaufwand, Treibhaus-, Versauerungs- und Eutrophierungspotenzial

Fotobioreaktorsystem als ein Grundbaustein des Prozesses

Zur Produktion des Wasserstoffs werden Fotobioreaktoren verwendet, in denen die Mikroorganismen in einer Nährstofflösung in einem kontinuierlichen System kultiviert werden. Der im Projekt entwickelte Reaktor ist ein so genannter geschlossener Flachbettreaktor mit einem Suspensionsvolumen von 5l (Abb.2). Der Fotobioreaktor umfasst Pumpen zur Durchmischung, pH-Regulierung und Algenzufuhr, diverse Messgeräte, einen Thermostaten sowie eine Lichtbank zur kontinuierlichen Beleuchtung. Die Ausrichtung der Fotobioreaktoren ist vertikal mit einer geringen Tiefe von nur 4 cm, um eine ausreichende Lichteindringtiefe zu gewährleisten. Um Kosten zu reduzieren, wurde der Fotobioreaktor aus Kunststoff gefertigt und modular aufgebaut, damit er in einer späteren Großan­lage einfach mit mehreren Reaktoren gekoppelt werden kann. Langzeitstudien des Verbundprojektes haben ergeben, dass ­eine kontinuierliche Kultivierung von bis zu 300 Tagen möglich ist, bevor der Reaktor zu Reinigungs- und Wartungszwecken abgestellt werden muss.

In einer ersten Version ist in Zusammen­arbeit mit einem lokalen Fertigungsunternehmen ein auf 100 l Suspensionsvolumen skalierter Reaktor entwickelt worden. Dieser Reaktor ist Basis von Berechnungen für eine zukünftige Großanlage zur fotobiologischen Wasserstofferzeugung und soll Erkenntnisse über die Betriebsbedingungen eines Reaktors dieser Größe bringen.

Prozessanalyse und Prozessbewertung

Da sich der Prozess der fotobiologischen Wasserstofferzeugung derzeit noch in der Grundlagenforschung befindet, wird mit einer geeigneten Methode versucht, diesen zu bewerten und das Entwicklungspotenzial für zukünftige Anwendungen zu bestimmen. Die ausgewählte Methode, die den kompletten Lebenszyklus des Prozesses betrachtet, ist die Ökobilanz, die nach den internationalen Normen DIN EN ISO 14040 [5] und 14044 [6] standardisiert ist.

Für die Ökobilanz des im Projekt verwendeten Reaktors wurden alle während der Herstellung, Nutzung und Entsorgung anfallenden Energie- und Stoffströme über einen Lebenszeitraum von zehn Jahren gemessen oder realistische Abschätzungen getroffen. Um den Energieaufwand und den Einfluss auf die Umwelt zu beschreiben, wurden im Sinne der Ökobilanz übliche Kennzahlen ermittelt, die sich auf die im Lebenszeitraum produzierte Menge an Wasserstoff beziehen. Diese Kennzahlen sind der kumulierte Energieaufwand (KEA), das Treibhauspotenzial (GWP), das Versauerungspotenzial (AP) sowie das Eutrophierungspotenzial (EP). Um einen Vergleich mit anderen konkurrierenden Wasserstofferzeugungsverfahren herstellen zu können, wurden die Ergebnisse der Ökobilanz in einem Benchmark mit den Ergebnissen aus vorhergegangenen Studien zu anderen Wasserstofftechnologien [7] verglichen. Zusätzlich wurde ein fotobiologisches Szenario betrachtet, in dem eine um den Faktor 100 erhöhte Wasserstoffproduktion in einem skalierten Reaktor und ein reduzierter Energiebedarf angenommen wurden (Abb.3).

Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass der Lebenszyklus der derzeitigen fotobiologischen Wasserstofferzeugung durch dessen Nutzungsphase bestimmt wird, die über 99% aller Energie- und Umweltaufwendung beansprucht, was vor allem aus den hohen Energieaufwendungen für die Betriebsprozesse wie die Thermostate, die künstliche Beleuchtung und die Sterilisierung des genutzten Wassers resultiert. Zudem steht die derzeitige Wasserstoffproduktionsrate in keinem Verhältnis zu den Energieaufwendungen.

Die Ergebnisse des Benchmarks bestätigen, dass die fotobiologische Wasserstofferzeugung auf derzeitigem Stand nicht konkurrenzfähig zu anderen Wasserstofferzeugungsverfahren ist. Allerdings lässt sich aus den Ergebnissen des Szenarios ableiten, dass, falls es gelingt, die Wasserstoffproduktionsrate um den Faktor 100 zu erhöhen, die fotobiologische Wasserstofferzeugung energetisch in Konkurrenz zu Verfahren wie der Netzstromelektrolyse oder der Dampfreformierung treten kann. Aus ökologischer Sicht werden teilweise sogar günstigere Indikatorergebnisse erzielt als bei Konkurrenzverfahren.

Skalierung und Optimierung entscheidend

Auch wenn die Ergebnisse der Untersuchungen für den sich aktuell im Laborstadium befindlichen Prozess zeigen, dass die fotobiologische Wasserstofferzeugung derzeit in keiner Konkurrenz zu anderen Verfahren steht, verspricht sie dennoch, als eine ökologische Variante zur Wasserstofferzeugung einen Beitrag für unsere Energiewirtschaft leisten zu können. Erkenntnisse des Projektes zeigen, dass sich durch Skalierungseffekte und Energieeinsparung in der Prozesstechnik wie solaren Lichteintrag, chemische Sterilisation und effektivere Prozesstechnik die Energieaufwendungen für einen 100l-Reaktor auf ein niedrigeres Niveau reduzieren lassen, als derzeit für den Laborreaktor benötigt wird. Wichtigste Stellschraube stellt allerdings die Steigerung der Wasserstoffproduktionsrate um mindestens das Hundertfache der derzeitigen Rate dar, die durch die Entwicklung des Designorganismus umgesetzt werden soll.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Nutzung der bereits verwendeten Algenbiomasse nach der Produktion von Wasserstoff. Untersuchungen im Projekt zeigten, dass eine durchaus große Bandbreite von Verwertungsoptionen besteht. Der anschließende Einsatz der Algenbiomasse in einer Biogasanlage mit anaerober Fermentation kann auf dieser Grundlage als technisch und energetisch am besten geeignet erachtet und als zusätzlicher Nutzen des Prozesses gesehen werden.

Literatur

[1] Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi); Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU): „Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung“, BMWi und BMU Öffentlichkeitsarbeit, Berlin, 2010.
[2] Deutscher Brennstoffzellen- und Wasserstoff-Verband; Lehmann, J.: „Wasserstoff – Der neue Energieträger“. Hydrogeit Verlag, Berlin, 2009, ISBN: 978-3-937863-17-7.
[3] Hemschemeier, A et al.: „Analytical approaches to fotobiological hydrogen production in unicellular green algae“. Fotosynthesis Research (2009), Volume 102, Numbers 2-3, p. 523-540.
[4] Rögner, M.; Happe, T.: “Grüner Kraftstoff – Photobiologische H2-Produktion durch Mikroalgen“, HZwei 10.2010, p. 24-25.
[5] Norm DIN EN ISO 14040 10.2006. Umweltmanagement – Ökobilanz – Grundsätze und Rahmenbedingungen. Berlin: Beuth Verlag, 2006.
[6] Norm DIN EN ISO 14044 10.2006. Umweltmanagement – Ökobilanz – Anforderungen und Anleitungen. Berlin: Beuth Verlag, 2006.
[7] Petrovic, T.-J. et al.: “Photobiologische Wasserstofferzeugung durch Mikroalgen – Beschreibung konkurrierender Systeme zur H2-Erzeugung“. Endbericht zum Forschungsvorhaben 85.65.69-T-170 Arbeitspaket 8.6 für Energieforschung Ruhr GmbH (ef-Ruhr), Januar 2006.

Foto: Wagner illu

Stichwörter:
emissionsfrei, Mikroalgen, Regenerativer Wasserstoff, Energieversorgung, fossiler Energieträger, Brennstoffzellen, Fotosynthese, fotobiologische Wasserstofferzeugung, Grünalgen, Cyanobakterien, Chlamydomonas, Hydrogenase, Algensuspension, Designorganismus, Cyanobakterium, Fotobioreaktorsystem, Flachbettreaktor, Suspensionsvolumen, Fotobioreaktor, KEA, GWP, AP, EP, Wasserstoffproduktionsrate,

C&M 1 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 1 / 2012.
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