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Typische Messfehler bei der Oberflächentemperaturmessung

Typische Messfehler bei der Oberflächentemperaturmessung

Tasttemperatur­fühler im Einsatz

Die Temperatur ist in vielen chemischen und industriellen Prozessen eine wesentliche Größe und wird daher an vielen Stellen gemessen. Wenn ein Eintauchen in ein flüssiges oder gasförmiges Prozess­medium nicht möglich ist oder die Temperatur an festen Körpern gemessen werden soll, kann nur die Temperatur an der Oberfläche gemessen werden – mit der Oberflächen- temperatur­messung. Die Messung von Oberflächentemperaturen ist eine der schwierigsten Disziplinen der Temperatur­messung, weil typischerweise große Messabweichungen und Messunsicherheiten auftreten.

Verfahren zur Oberflächentemperaturmessung

Etabliert sind im Wesentlichen zwei Verfahren zur Oberflächentemperaturmessung: die berührungslose Messung durch Strahlungstemperaturmessung oder mechanisch an die Oberflächen angelegte oder aufgepresste Tasttemperaturfühler. Beide Verfahren haben ihre spezifischen Probleme. Die Messung mit pyrometrischen Handgeräten oder stationären Strahlungsthermo­metern hat viele Vorteile, z.B. ist eine bildgebende Darstellung mit Wärmebildkameras möglich, es kann sogar an bewegten Teilen gemessen werden. Alle pyrometrischen Verfahren erfordern aber die Kenntnis des Emissionskoeffizienten der zu messenden Oberfläche. Dieser ist häufig nicht mit der notwendigen Messun­sicherheit bekannt oder hängt sogar von der Temperatur selbst ab. Auch transparente Oberflächen sind hierbei schwierig. Bei niedrigen Emissionskoeffizienten ist außerdem die Strahlung aus der Umgebung eine zusätzliche Unbekannte.


Abb.1 Bauformen von Tasttemperaturfühlern in Handgeräten, v.l.n.r. Kreuzbandfühler mit Käfig und mit Glocke, gefedertes Plättchen ohne und mit Glocke, gefedertes Plättchen und Paddelfühler.

Tasttemperaturfühler

Angelegte oder aufgepresste Tasttemperaturfühler scheinen hier auf den ersten Blick problemloser zu sein. Tasttemperaturfühler gibt es als Handmessgeräte in unterschiedlichen Bauformen: mit und ohne Handgriff, in gerader oder abgewinkelter Form und für verschiedene Temperaturbereiche. Oft werden sehr dünne Thermo­elementbänder, die sich der Materialoberfläche anpassen können oder Anlegeplättchen mit Federungselementen an einem langen, möglichst thermisch isolierenden Stab benutzt, Glocken oder ­Käfige dienen zur Abschirmung der Umgebung und erleichtern das Aufsetzen (Abb.1). Allen Tasttemperaturfühlern ist aber gemeinsam, dass das ursprüngliche Temperaturfeld, also die „ungestörte“ Oberflächentemperatur, durch das Aufsetzten oder Anlegen des Fühlers verändert wird, weil der Wärmestrom durch und an der Oberfläche geändert wird. Es gibt immer eine Rückwirkung zwischen Thermometer, dem Messobjekt und der Umgebung (Abb.3). Oft wird durch das Aufsetzen des Fühlers die zu messende Oberflächentemperatur erheblich gestört.


Abb.2 Schematischer Aufbau der Prüfeinrichtung


Abb.3 Schematisch dargestellte Wärmetransportvorgänge für ungestörte Oberfläche (links) und bei Messung mit Tast-Temperaturfühler (rechts).

Messabweichung durch Störung der Oberflächentemperatur

Entscheidend für die Messabweichung sind die thermische Kopplung des Thermometers zum Messobjekt, die Wärmeleitung im Fühler und die Wärmeabgabe an die Umgebung. Um eine gute Messung zu ermöglichen, müssen der thermische Kontaktwiderstand zum Messobjekt möglichst gering und der Sensor gleich­zeitig gut von der Umgebung entkoppelt sein. Der thermische Kontaktwiderstand zum Messobjekt hängt von den thermischen und mechanischen Eigenschaften der sich berührenden Materialien des Messobjekts und des Temperaturfühlers, dem Aufsetzwinkel, dem Kontaktdruck, der Objekt- und Umgebungstemperatur, von der Rauheit und der geometrischen Form der Kontaktflächen ab. Konkret heißt das, dass unterschiedliche Materialien des Messobjekts unterschiedliche Messabweichungen, die abhängig von der Messsituation bis zu einigen zehn Grad Kelvin betragen können, ver­ursachen. Auch die Handhabung des Tasttemperaturfühlers – also wie stark und unter welchem Winkel angedrückt wird – ist sehr wichtig. Zusammenfassend gilt, dass auch bei intelligentem Design des Tasttemperaturfühlers und sorgfältiger Handhabung syste­matische und zufällige Messabweichungen unvermeidbar sind [1]. Auch das dynamische Verhalten ist für zeiteffiziente Messungen interessant. Die Ansprechzeiten der Fühler, also z.B. die Zeit, bis 99% des Temperaturendwertes erreicht sind, liegen typischer­weise zwischen einer und mehreren Sekunden und zeigen ein typisches Vorhaltezeitverhalten.

Prüfeinrichtung für Tasttemperaturfühler

Am Institut für Prozessmess- und Sensortechnik der TU Ilmenau wird zur messtechnischen Untersuchung eine spezielle Prüfeinrichtung verwendet (Abb. 2 und Autorenbild). Sie besteht aus ­einer Heizeinrichtung, in die auswechselbare Prüfkörpereinsätze aus verschiedenen Materialien eingesetzt und die im Temperaturbereich von 50°C bis 500°C temperiert werden können. Die Prüfkörper haben horizontale Bohrungen, in denen drei sehr dünne Mantelthermoelemente den vertikalen Temperaturgradienten erfassen. Mit diesen gemessenen Temperaturen ist eine relativ exakte Extrapolation auf die tatsächliche aktuelle Oberflächentemperatur möglich. Setzt man nun einen zu untersuchenden Tasttemperaturfühler auf, kann einerseits die Messabweichung des Fühlers zur bekannten Oberflächentemperatur bestimmt werden. Andererseits ist die Beeinflussung des Temperaturgradienten im Prüfkörper mithilfe der drei Mantelthermoelemente beobachtbar. Verschiedene Prüfkörpermaterialien und zahlreiche Tasttemperaturfühler wurden untersucht und die zufälligen Messabweichungen und das dynamische Ansprechverhalten bei mehrmaligem Aufsetzen mit verschiedenen Kräften und Andruckkräften bestimmt [3]. Ähnliche Prüfeinrichtungen gibt es auch in metrologischen Staatsinstituten, Kalibrierlaboratorien und Firmen. Die Oberflächenprüfeinrichtung und die zur Bestimmung der dynamischen Kennwerte erforderlichen mathematischen Modelle sind in der VDI Richtlinie 3522 „Zeitverhalten von Berührungsthermometern“ [4] beschrieben, die derzeit in einer neuen Fassung erscheint [2].

Fazit

Die Oberflächentemperaturmessung mit Tasttemperaturfühlern wird aufgrund ihrer vordergründig einfachen Verwendbarkeit in vielfältigen Anwendungen eingesetzt. Hierbei sind jedoch erhebliches Expertenwissen und Erfahrung nötig, um sichere und belastbare Messergebnisse zu erlangen. Es gilt, die auftretenden thermischen Messabweichungen, welche signifikant höher als die im Datenblatt der Thermometer angegebenen Messunsicherheiten sein können, zu erkennen und richtig zu ermitteln.

Literatur

[1] F. Bernhard. Hrsg. Handbuch der technischen Temperaturmessung
[2] Augustin, Silke; et al. Neufassung der VDI/VDE-Richtlinie 3522 „Zeitverhalten von Berührungsthermometern“. In: Sensoren und Messsysteme 2014
[3] Augustin, Silke; Mammen, Helge: Vorteile bei der Bestimmung dynamischer und statischer Parameter von Oberflächentasttemperaturfühlern durch die Verwendung einer mechanischen Aufsetzvorrichtung. In: Temperatur 2009/Fachtagung Temperatur (Berlin)
[4] VDI/VDE-Richtlinie 3522

Foto: © YariK - Fotolia.com

Stichwörter:
Oberflächentemperaturmessung, Tasttemperaturfühler, pyrometrischen Verfahren, Emissionskoeffizienten, Federungselemente, Wärmetransportvorgänge, Prozessmess- und Sensortechnik, Prüfkörpermaterialien, Oberflächenprüfeinrichtung, Kalibrierlaboratorien,

C&M 5 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 5 / 2014.
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