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Forscher > Prof. Dr.-Ing. Jörg Franke > Vernetzung für effiziente Anlagenplanung

Vernetzung für effiziente Anlagenplanung

Engineering Community

Das Engineering komplexer Anlagen ist von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung für deutsche Unternehmen. Daher ist es wichtig, die Effizienz im Engineering kontinuierlich zu verbessern. Um dies mit einem vertretbaren Aufwand zu erreichen, stellen ein unternehmensübergreifender Erfahrungsaustausch sowie eine intensive Zusammenarbeit in einer Engineering Community eine wichtige Chance für Unternehmen dar.

Der Maschinen- und Anlagenbau ist eine der wichtigsten Branchen in Deutschland. Mit 971.000 Beschäftigten im Jahr 2012 ­bildet er nach dem verarbeitenden Gewerbe die zweitgrößte Wirtschaftsgruppe [1]. Einen bedeutenden Anteil und besondere weltweite Ausstrah- lungskraft haben dabei die Hersteller von kunden- individuellen Maschinen und Anlagen. Kern der Wettbewerbsfähigkeit ist es, die Kundenwünsche exakt zu erfassen und mithilfe des Engineerings passgenaue Lösungen zu planen und zu realisieren. Damit nimmt das Engineering eine zentrale Rolle in der Wert- schöpfungskette ein, da insbesondere während der Planungsphase die Kosten für den Einkauf der Komponenten und den Aufbau der Anlage determiniert werden. Gleichzeitig ist jedoch der Kostenanfall durch das Engineering selbst gering [2].

Hohe Komplexität in der Anlagenplanung

Der Engineering-Prozess ist, wie in Abbildung 1 dargestellt, gekennzeichnet durch zahlreiche unterschiedliche Akteure (z.B. Kunde und Anlagenbetreiber, Engineering-Dienstleister, Komponentenlieferanten) und viele involvierte Fachdomänen. Dadurch entsteht entlang des gesamten Planungsprozesses eine Vielzahl an Schnittstellen, an denen alle beteiligten Akteure effizient zusammenarbeiten müssen. Gleichzeitig hat jeder Akteur sein spezifisches Fachwissen bereitzuhalten und die Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten mit einzubringen. Zur Erhöhung der Effizienz im Engineering sind mit Hinblick auf den Austausch von Informationen und Wissen verschiedene grundlegende Ansätze möglich, u.a.:


Abb.1 Vereinfachter Engineering-Prozess und mögliche Akteure (in Anlehnung an [3]).

// Verbesserte projektspezifische Kommunikation zur Vermeidung von Verlusten an den Schnittstellen

// Projektübergreifender Austausch von Fachwissen zur Vermeidung von ­Doppelarbeit und zur schnelleren ­Erarbeitung von Lösungen

// Projektübergreifender Austausch von Erfahrungen und Weiterentwicklung von Methoden zur Verbesserung der Projektdurchführung

„Communities of Practice“

Zum Austausch von Wissen innerhalb von Unternehmen werden in vielen Unternehmen bereits erfolgreich so genannte „Communities of Practice“ eingesetzt. Dabei handelt es sich in der Regel um intranetbasierte Portale, die den Austausch von Erfahrungsberichten oder themenspezifischem Fachwissen fördern. [4] Über „Communities of Practice“ kann insbesondere bereits vorhandenes explizites Wissen gut ausgetauscht werden, implizites Wissen muss durch die Nutzer jedoch erst noch beschrieben und bereitgestellt werden. Bei explizitem Wissen handelt es sich bspw. um Dokumentationen über spezielle Technologien oder Produkte, aber auch um Konstruktionspläne oder Handbücher. In den Bereich des impliziten Wissens fällt spezielles Knowhow einzelner Experten oder Verfahren und Methoden (vgl. Abb.2) [5]. Dieses Knowhow jedoch ist es, das besonders bedeutend für eine kontinuierliche Weiterentwicklung von Methoden im Engineering ist. Ausgetauscht und weiterentwickelt werden kann es nur, wenn ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen, dieses in explizites Wissen auf Basis eines gemeinsamen Verständnisses zu überführen. Dies ist jedoch für das Engineering von Anlagen und den gleichzeitigen Fokus auf Themen wie verbesserte Engineering-Prozesse oder projektübergreifende Standards mithilfe herkömmlicher „Communities of Practice“ nicht gegeben [6].


Abb.2 Aufschlüsselung des Wissens über verschiedene Ebenen (in Anlehnung an [5]).

Methodenwissen erfordert aktive Moderation

Der Ansatz einer Engineering Community verbindet daher eine breite, bottom-up- ­getriebene Community mit einer aktiven Unterstützung durch eine top-down-motivierte Initiative (Abb.3). Dies ist v.a. wichtig, um die Community dabei zu unterstützen, ein gemeinsames Verständnis aufzubauen, strategische Zielrichtungen zur Weiterentwicklung des Engineerings zu formulieren und dennoch die Erfahrungsträger eng mit einzubinden. Eine solche Initiative kann entweder rein unternehmensintern getrieben sein, möglich ist aber auch, dass sich Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette zu einem Netzwerk zusammenschließen. Die Initiative oder das Netzwerk unterstützt dabei auf vielfältige Weise [7]:


Abb.3 Bottom-up-Community und Top-down-Initiative.

// Sicherstellung der Einbindung aller Stakeholder

// Festlegung von Schwerpunkten für die Arbeit der Community

// Moderation von Arbeitsgruppen für Schwerpunktthemen

// Kommunikation der Ergebnisse und Unterstützung bei der Implementierung

// Aufbau der geeigneten Infrastruktur und Einbindung vorhandener Communities of Practice

Wichtiges Hilfsmittel zur Sicherstellung ­einer breiten Basis ist die Anwendung moderierter Feedbackprozesse zum Sammeln noch nicht explizit vorhandenen Wissens aus der Community. Hier müssen komplexe Fragestellungen vorab durch ein neutrales Moderationsteam aufbereitet und vereinfacht werden. Diese können dann über den Einsatz bspw. von webbasierten Umfragetools an die Community weitergegeben werden. Um die Community selbst möglichst intensiv in den Entscheidungsprozess einzubinden, sind die aggregierten Ergebnisse nach kurzer Zeit für Review und erneutes Feedback an die Community zu verteilen. Dadurch kann die Community eng an der Weiterentwicklung des Engine­erings partizipieren und die Erarbeitung geeigneter Lösungen sicherstellen.


Abb.4 Dimensionen zur Gestaltung der Community.

Mehrdimensionale Gestaltung der Community

Die Gestaltung der Community selbst hängt stark von den teilnehmenden Unternehmen und Einrichtungen ab. Während eine rein unternehmensinterne Community ohne größere Widerstände einzurichten ist, gibt es aufgrund eines möglichen Knowhow-Verlusts Vorbehalte gegenüber einer unternehmens- übergreifenden Zusammenarbeit. Dennoch gibt es Vorarbeiten, eine solche Community über zahlreiche Unternehmen hinweg zu etablieren. Um jedoch Bedenken eines Knowhow-Verlusts zu begegnen, ist sicherzustellen, dass die Ziele klar definiert sind und die Unternehmen möglichst komplementär zueinanderstehen. Dann ist auch eine Zusammenarbeit in Engineering-Projekten denkbar, bei denen die gemeinsam erarbeiteten Standards und Vorgehensweisen eingesetzt werden.

Fazit

Die Erweiterung des Ansatzes fachspezifischer „Communities of Practice“ in Richtung einer Methodenentwicklung benötigt gerade in einem vielschichtigen und breiten Feld wie dem Anlagenengineering eine klare Zielstellung sowie aktive Moderation. Sind diese Rahmenbedingungen gegeben und herrscht in den teilnehmenden Unternehmen Offenheit gegenüber der Weiterentwicklung von Engineering-Methoden, so können sich interessante Perspektiven bis hin zur unternehmensübergreifenden Abwicklung von Engineering-Projekten ergeben.

Literatur
[1] VDMA – Volkswirtschaft und Statistik: Maschinenbau in Bild und Zahl (2013). URL http://www.vdma.org/documents/
106133/948481/Maschinenbau_Statistik_2013/e391044e-cb4e-496b-9184-37bc870fd40c – Überprüfungsdatum 2013-10?–?15
[2] VDI 2235. 1987-10-00. Wirtschaftliche Entscheidungen beim Konstruieren;
Methoden und Hilfen
[3] NAMUR Arbeitsblatt 35. 2003-03-00. Abwicklung von PLT-Projekten
[4] Zboralski, K. (2007): Wissensmanagement durch Communities of Practice.
Wiesbaden : Springer Fachmedien
[5] Gassmann, O. ; Hipp, C. (2001): Hebeleffekte in der Wissensgenerierung: Die Rolle von technischen Dienstleistern als externe Wissensquelle. In: Albach, H. (Hrsg.): Personalmanagement, 141–160
[6] Franke, J.; Götz, J. (2013): Engineering Community – ­Vernetzung für effizientes Engineering (Integrated Plant Engineering Conference 2013)
[7] Goetz, J. ; Brossog, M. ; Franke, J. (2012): Motivation and Approach to Establish a Comprehensive Community in Project Engineering. In: Proceedings of the 19th ISPE International Conference on Concurrent Engineering (CE 2012)

Foto: © panthermedia.net, lightwise

Stichwörter:
Engineering-Prozess, Maschinen- und Anlagenbau, Komplexität, Methodenwissen, Infrastruktur,

C&M 2 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 2 / 2014.
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