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Diamantbeschichtete Gleitringdichtung im 27.000h-Dauerversuch

Diamantbeschichtete Gleitringdichtung im 27.000h-Dauerversuch

Diamantenfieber

Die häufigste Ausfallursache bei Pumpen ist das Versagen der Gleitringdichtung. Dies führt im Vergleich zu anderen Pumpenkomponenten zu sehr hohen ­Reparaturkosten. Die kontinuierliche Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Diamantbeschichtung von Bauteilen und Weiterbearbeitung dieser Komponenten für den Einsatz von hoch beanspruchten Gleitringdichtungen konnte am Prüfstand in eindrucksvoller Art und Weise ­demonstriert werden.

Technische Zielsetzung der Forschung ist es, durch tribologische wie auch durch umfassende werkstoffkundliche Untersuchungen entsprechende Lösungen für Gleitringdichtungen in Kessel- speisepumpen für die Kraft­werke der Zukunft zu erarbeiten. Hierzu ist es zwingend notwendig, die Ursachen für die derzeit Lebensdauer bestimmenden Schädigungsmechanismen in- und außerhalb der Dichtfläche zu erforschen und einen quantitativen Zusammenhang zur Beanspruchung zu erbringen.

Seit Hydrazin als Korrosionsinhibitor wegen seiner Gesundheitsgefährdung verboten wurde, treten bei den Gleitringdichtungen von Kesselspeisepumpen vorher nicht gekannte Korrosionserscheinungen auf (Abb.1). Als Grund hat sich die Elektrokorrosion herausgestellt, weil die Relativbewegung zwischen Gleit- und Gegenring zu stati­schen Aufladungen führt, die durch die sehr niedrige Leitfähigkeit des Kesselwassers von unter einem Mikro-Siemens pro cm [S/cm] im Unterschied zu früher nicht mehr abgeleitet werden. Ohne näher auf die Wirkmechanismen im Einzelnen einzugehen, sei an dieser Stelle nur das Ergebnis vermerkt, dass innerhalb kurzer Betriebszeiten, teilweise weniger als hundert Betriebsstunden, fingerkuppengroße Stücke aus dem Gleit- und/oder dem Gegenring herausbrechen (Abb.4) und zu rapidem Anstieg des Leckstroms führen, was einerseits wegen der Wirkungsgradeinbuße, andererseits wegen der nicht mehr gewährleisteten Betriebszuverlässigkeit inakzeptabel ist und zu einem Reparaturstillstand mit den damit verbundenen und leider bestens bekannten hohen Kosten führt, hauptsächlich aufgrund des Produktionsausfalls.


Abb.1 Typische Schäden an herkömmlichen Gleitringdichtungen.

Diamantbeschichtete Gleitringdichtungen

Die hervorragenden Eigenschaften resultieren aus den außergewöhnlichen Eigenschaften (Tab.), die auch amorphen Diamant (DLC Diamond-Like Carbon) und vor allen Dingen das an sich zu Recht gelobte Siliziumkarbid (SiC) noch weit übertreffen. Als Grundmaterial fungiert nach wie vor Siliziumkarbid, auf das kristalliner Diamant mit einer Dicke von mehreren Mikro­metern aufgebracht wird. Verantwortlich für die ausgezeichnete Haltbarkeit der diamant­beschichteten Gleitringdichtungen ist die Kombination aus sehr großer Härte und hervorragender Elastizität. Durch die große Härte hält der Werkstoff den elektrischen Feldkräften stand, die aus der statischen Aufladung und Spannungsbelastung resultieren. Infolge des niedrigen Reibungsko­effizienten wird die statische Aufladung wegen der stark reduzierten Reibung minimiert. Und die sehr gute Wärmeleitfähigkeit vermeidet lokale Überhitzung und ­damit Thermospannungen, zumindest werden diese ganz erheblich reduziert. Gleichzeitig ist die Wärmeausdehnung der Diamantbeschichtung ähnlich der des Träger­stoffs Siliziumkarbid, sodass stets – auch bei Temperaturbelastung – eine gute Verbindung zwischen ihm und der Beschichtung gegeben ist.


Abb.2 Gleitringdichtungsprüfstand

Gleitringdichtungsprüfstand

Der Prüfstand am Institut für Hydraulische Strömungsmaschinen der TU Graz dient zur Ermittlung von Reib- und Gleiteigenschaften von Werkstoffpaarungen in Gleitringdichtungen im Dauerbetrieb. Es wird analysiert, unter welchen Voraussetzungen die gebräuchlichen Siliziumkarbid-Gleitwerkstoffe elektrochemisch angegriffen werden und ob neuartige Beschichtungen einen positiven Einfluss auf das Schadensverhalten der Ringe ausüben.


Tab. Eigenschaften von kristallinem Diamant im Vergleich zu amorphem Diamant (DLC) und Siliziumkarbid (SiC)

Spezifikationen des Gleitringdichtungsprüfstand:

// max. Dichtungsdurchmesser: 178mm

// max. Drehzahl: 5.700UpM

// max. Geschwindigkeit: 60m/s

// Druckseite p = 40bar

// Prüfstand für Langzeittest mit durchgehender Datenaufzeichnung

// Fernüberwachung

// vollentsalztes Wasser (VE-Wasser)

// max. Leitwert: < 0,1 S/m

// automatische Wasseraufbereitung

// konstante Temperatur: 60°C

Neben Kurzzeitversuchen zur Bestimmung der Einsatzgrenzen sind Langzeitversuche in „kraftwerksidenter“ Umgebung notwendig, um eine Aussage über das Auftreten eines chemischen Angriffs machen zu können. Zu Beginn und am Ende wurden auch Tests mit herkömmlichen SIC-Dichtungen durchgeführt, die nach wenigen hundert Betriebsstunden zur Zerstörung der Dichtung führten (Abb.4). Somit sind der stabile Zustand des Prüfstandes und der Prüfumgebung sowie deren schädliche Wirkung auf die Bauteile nachgewiesen.


Abb.3 Gleitflächen der diamantbeschichteten Dichtungsringe ohne
betriebsbeeinträchtigende Schadensbilder.

Prüfbedingungen

Es wurde besonders Wert auf die 100%ige exakte Nachbildung des Gleitringdichtungsraum und der Betriebsverhältnisse gelegt. Im Zweifelsfall wurden strengere Kriterien festgelegt. Der Wellendurchmesser wurde zu 170 mm gewählt und die Drehzahl zu 5.700UpM, beides Werte, die bei großen Kesselspeisepumpen vorgefunden werden. Arbeitsmedium ist vollentsalztes Wasser mit einer Leitfähigkeit von maximal 0,1 S/cm. Um diese Wasserqualität im Dauerversuch nachprüfbar zu gewährleisten, wurde eine automatische Wasseraufbereitung mit einem Ionenaustauscher realisiert. Die Wassertemperatur wird bei 60°C (± 2°C) konstant gehalten und der Wasserdruck auf der Druckseite mit p = 40 bar. Der Versuchsstand ist dauerlauffähig und wird durch­gehend ohne Unterbrechung betrieben, lediglich ca. alle drei Monate wird der Prüfstand für einige Stunden angehalten, um die Wälzlager des Motors zu wechseln. In noch größerem Abstand werden die Kartuschen des Ionenaustauschers gewechselt. Alle betriebsrelevanten Daten werden permanent aufgezeichnet und fernüberwacht.


Abb.4 Gleitflächen der SiC/SiC-Dichtungsringe mit deutlich sichtbaren Schäden (links: rotierender Ring, rechts: stehender Ring), die nach 504h Betriebsstunden zum Totalausfall führten.

Erkenntnisse

Anfangs wurden die Versuchsträger ca. alle drei Monate geöffnet, um die Wälzlager am Versuchsträger zu tauschen. Später wurden diese Zeiträume verlängert. Insgesamt kam es innerhalb des dreieinhalbjährigen Dauerversuchs zu 154 Start-Stopps aufgrund von Reparaturen und Umbauten. Trotz dieser Wartungsstopps wurde eine durchschnittliche Verfügbarkeit von über 89% erzielt. In der Abbildung der Gegenringe nach 26.680 Betriebsstunden (Abb.3) ist der nach wie vor ausgezeichnete Zustand der Gleitringdichtung nach so langer Betriebszeit erkennbar. Dieser Zustand kann als nahezu neuwertig bezeichnet werden, es besteht nicht der geringste Anlass, die Dichtung zu tauschen. Es ist eine Fortsetzung der Versuche geplant, sobald die derzeitige Forschung zu einer Weiterentwicklung der Diamantbeschichtung sowie neuen Versuchsträgern führt.

Foto: © istockphoto.com, joebelanger

Stichwörter:
Reparaturkosten, Elektrokorrosion, Diamantbeschichtete, Temperaturbelastung, Gleitringdichtungsprüfstand, Prüfbedingungen,

C&M 2 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 2 / 2014.
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