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Entwicklung biobasierter Kunststofffilamente für den 3D-Druck im Schmelzschichtverfahren (FDM)

Entwicklung biobasierter Kunststofffilamente für den 3D-Druck im Schmelzschichtverfahren (FDM)

3D-Drucken von Biokunststoffen

Biokunststoffe sind in aller Munde und erzielen in der Regel eine ­positive Reaktion bei Konsumenten, die sich nachhaltig verhalten möchten. Befasst man sich mit der Thematik näher, wird schnell deutlich, dass der Begriff „Biokunststoff“ ein Überbegriff ist, der die Eigenschaften biologische Abbaubarkeit und biologischer Ursprung vereint und dabei verschweigt, dass beide Eigenschaften nicht immer zugleich in einem Biokunststoff vorliegen. Im neuen Forschungsprojekt BioFabNet entwickelt das IKT mit Projektpartnern aus kommerziell verfügbaren Biopolymeren biobasierte ­Kunststofffilamente für den 3D-Druck im Schmelzschichtverfahren.

Es ist trotz der attraktiven Vorsilbe „bio“ wichtig zu verstehen, welchen Nutzen sie für den nachfragenden Verbraucher und damit für die Kunststoffbranche hat. Um den Nutzen zu verstehen, muss klar kommuniziert werden, wofür das Präfix „bio“ jeweils steht (Abb.1).

Biologisch abbaubare Kunststoffe

Die biologische Abbaubarkeit von Kunststoffen ist eine Werkstoffeigenschaft. Diese Kunststoffe bestehen nahezu ausschließlich aus bioabbaubaren Polymeren und Zusatzstoffen. Sie sind für spezielle Bakterien im Boden verstoffwechselbar, nachdem die Makromoleküle zunächst durch andere Abbaumechanismen eine besonders kleine Fragmentierung erreicht haben.

Somit wird deutlich, dass der Begriff „bio“ in „biologisch abbaubar“ dafür steht, dass der Kunststoff wieder zu Natur, also zu „bio“ wird. Der gesellschaftliche Nutzen und somit auch der Nutzen für den nachhaltig handelnden Konsumenten bestehen in einer zusätzlichen Entsorgungsoption über den Bioabfall. In Deutschland liegt die Entscheidung, ob Biokunststoffe mit dem Bioabfall entsorgt werden dürfen, in der Hand der Kommunen.


Abb.1 Verschiedene Ausprägungen von Biokunststoffen

Biobasierte Kunststoffe

Wenden wir uns der anderen Gruppe der Biokunststoffe zu. Bei den sogenannten biobasierten Kunststoffen steht die Vorsilbe „bio“ für aus der heutigen Natur gewonnene, nachwachsende Rohstoffe. Zur Verwirrung führt, dass die biobasierten Kunststoffe nicht zwangsläufig biologisch abbaubar sein müssen.

„Biobasiert“ ist eine Werkstoff- und zugleich eine Produkteigenschaft. Sie beschreibt, dass die Kohlenstoffatome, aus denen die Molekülketten bestehen, aus der heutigen Natur entnommen, also „bio“ sind. Beim Einsatz nachwachsender Rohstoffe, also Kohlenstoffatomen aus dem Heute, wird der Atmosphäre beim Wachstum der Pflanze exakt so viel Kohlenstoffdioxid entzogen, wie später beim biologischen Abbau oder bei der thermischen Nutzung wieder an die Atmos­phäre abgegeben wird. Dieser Stoffkreislauf ist CO2-neutral.

Somit besteht der gesellschaftliche Nutzen biobasierter Kunst­stoffe darin, für die Zeit „nach dem Erdöl“ zu sorgen. Zum einen werden weniger fossile Kohlenwasserstoffe verwendet und damit weniger „gestriges“ CO2 in die Umwelt eingebracht. Zum anderen wird die Unabhängigkeit von immer knapper werdenden fossilen Rohstoffen vorangetrieben.

Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass die Kunststoffindustrie trotz zunehmen­den Einsatzes nachwachsender Rohstoffe kaum zur Erdölschonung beitragen wird, denn dies wird ja nur zu wenigen Prozenten zur Herstellung von Kunststoff eingesetzt. Sie werden in der Welt in weit größerem Ausmaß zur Energieerzeugung und zum Transport verwendet. Die Kunststoffindustrie kann also gar nicht „die Welt“ mit dem Einsatz nachwachsender Rohstoffe retten, aber sie kann sich selbst retten: Wenn das Erdöl immer knapper und teurer wird, kann die Kunststoffindustrie auf nachwachsende Roh­stoffe ausweichen.

Biobasierte Polymere findet man teilweise in der Natur. Sie werden großtechnisch u.a. aus verschiedenen Kohlenhydraten gewonnen: Zucker, Stärke, Proteine, Cellulose, Lignin, Fette und Pflanzenöle. Beispiele für kommerziell verfügbare, biobasierte Polymere sind auch hier wieder Polylactid (PLA), die Gruppe der Polyhydroxyalkanoate (PHA), Cellulosederivate wie Celluloseester (CA) und Cellulosebutyrat (CAB) sowie auch Stärkederivate. Diese Biopolymere bilden die Basis für biobasierte Kunststoffe.

Es gibt hier und da noch die Überzeugung, dass Biokunststoffe noch „nichts taugen“, die jedoch sicherlich aus glücklosen Ver­suchen mit reinen Biopolymeren der „ersten Stunde“ stammen. Aufbereitete Biokunststoffe weisen nämlich sehr wohl sehr gute und eigenständige Eigenschaftsprofile auf, solange die Biopolymere miteinander oder/und mit Zusatzstoffen geblendet werden. Durch Compoundierung werden nicht nur die Eigenschaften des Endprodukts „eingestellt“, sondern auch die Verarbeitbarkeit auf Spritzgießmaschine, Folienblasextruder oder auch auf den aktuellen 3D-Druckern sichergestellt.

3D-Drucken

Werden Unikate oder Prototypen benötigt, so lohnt es sich, additive Verfahren einzusetzen. Diese Verfahren benötigen keinerlei teure Form wie z.B. das Spritzgießen. Unter additiver Fertigung versteht man Produktionsprozesse, in deren Verlauf Produkte schichtweise aufgebaut werden. Dies kann mit unterschiedlichen Verfahren erfolgen, die landläufig als 3D-Drucken zusammengefasst werden. Das eigentliche 3D-Drucken ist aber nur eines dieser additiven Verfahren, das sogenannte Fused Deposition Modelling (siehe Infokasten).

Im Allgemeinen werden bei der additiven Fertigung pulverförmige oder flüssige Werkstoffe eingesetzt. Es wird jeweils eine Schicht des Werkstoffs aufgetragen und mit der darunter liegenden verbunden. Das 3D-CAD-Modell wird im Rechner in eine Schichtdarstellung (sog. STL-Format) umgerechnet und an den Prozessrechner des generativen Verfahrens weitergeleitet. Der Prototyp wird dann stufenförmig aufgebaut.

Biobasierte Kunststoffe müssen für 3D-Druck erst aufbereitet werden

Im Projekt BioFabNet (www.biofabnet.de) entwickelt das IKT mit Projektpartnern aus kommerziell verfügbaren Biopolymeren biobasierte Kunststofffilamente für den 3D-Druck im o.a. Schmelzschichtverfahren (FDM; siehe Kasten). Diese werden von ­einer Community aus Anwendern von 3D-Druckern getestet und nachfolgend von den Projektpartnern weiter optimiert. Das Projekt wird vom Bundes­ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Fördermaßnahme BioIndustrie 2021 gefördert.

Für die Versuche variiert die IKT-Ingenieurin Linda Goebel im Rahmen des Projektes zunächst die Rezepturen der Bio-Blends auf einem Doppelschneckenextruder in der Maschinenhalle des IKT, um daraus maßgeschneiderte Rezepturen und letztendlich geeignete Filamente zu schaffen, die in diesem 3D-Druckverfahren verarbeitbar sind. Dabei variiert sie die Zusammensetzung der Rezepturen mit dem Ziel, die Werkstoffeigenschaften für Prozess und spätere Anwendung zu optimieren (Abb.2).


Abb.2 Ingenieurin Linda Goebel beim 3D-Drucken mit Biokunststoffen

So wurden bereits mehrere Kilometer Filamente mit einem Durchmesser von 1,75 bis 3mm, je nach 3D-Druckmaschinentyp, produziert (Abb.3). Diese wurden im 3D-Druck-Testzentrum des Projektpartners Fraunhofer IPA erfolgreich gedruckt, bestimmt wurden auch die Druckparameter des neuen Blends. Nun sollen Bauteile in Form von Prüfkörpern gedruckt und mechanisch geprüft werden, um im Erfolgsfall letztendlich komplexe Bauteile (Beispiel: Abb.4) zu produzieren. Derzeit arbeitet das IKT an der Extrusion noch gleichmäßigerer Filamente, die auch auf kommerziell erhältlichen 3D-Druckern verarbeitet werden können.


Abb.3 Biobasiertes Filament für das 3D-Drucken


Abb.4 Beispiel für 3D-gedrucktes Bauteil

Die vom Projektpartner Bio-Pro, Stuttgart, ­erstellte BioFabNet-Homepage sowie Messe­auftritte auf der Biotechnica 2013, Hannover Messe 2014 und der MedTec 2014 stellen das Projekt der Öffentlichkeit vor. Es wurden bereits rund 120 freiwillige Materialtester gefunden, die das Projekt mit Versuchen auf ihren 3D-Druckern unterstützen.

Das 3D-Druckverfahren Fused Deposition Modelling (FDM)

Beim FDM-Verfahren wird ein thermoplastischer Schmelzestrang aus der Düse eines Miniextruders extrudiert und linienartig auf eine Bauplattform aufgetragen. Dort erstarrt sie und die nächste Linie wird ­hierauf abgelegt (Abb. 5). Um das Filament im zylinderförmigen Heizelement aufzuschmelzen, muss es nicht nur exakte Maße aufweisen, sondern der Werkstoff auch ausreichend temperaturbeständig sein. Dies ist bei aus der Natur gewonnen Biopolymeren, die für die Biokunststoffe eingesetzt werden, eine besondere Herausforderung.


Abb.5

Fotos: © IKT | © istockphoto.com, PhotographerOlympus

Stichwörter:
Biokunststoffe, Schmelzschichtverfahren, Werkstoffeigenschaft, biologisch abbaubar, Entsorgungsoption, Kunststoffindustrie, Polyhydroxyalkanoate, Polylactid, Cellulosebutyrat, Biopolymere, 3D-Drucken, Prüfkörpern, FDM-Verfahren, Heizelement, Biokunststoffen, Erdölschonung, IKT-Ingenieurin, Werkstoffeigenschaften, FDM-Verfahren, zylinderförmigen Heizelement,

C&M 5 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 5 / 2014.
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