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Nanokomposit-Dünnschichten für die flexible, transparente Elektronik der Zukunft

Solarzelle von der Rolle

Gardinen, die tagsüber ihr Handy mit Solar­energie laden und abends als futuristische Leucht­elemente stimmungsvolles Licht spenden... Glasfassaden von Hochhäusern, die Sonnenlicht in ­elektrische Energie umwandeln... Zukunftsvisionen? Vielleicht noch heute. Im BMBF-Projekt „Nanospekt“ werden neue Materialien für solche Lösungen erforscht.

Abb3: Pilotanlage zur Nass-Folien­beschichtung am INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien in Saarbrücken.

Sonnenstrahlung gilt als die wichtigste Ener­giequelle der Erde. Sie ist kostenlos und fast überall verfügbar. Solarenergie ist nicht nur nahezu unerschöpflich, sie bietet auch die Möglichkeit, elektrische Energie dezentral zu erzeugen. Doch gerade in Städten, wo der Energiebedarf groß ist, können viele Flächen bisher nicht genutzt werden. Herkömmliche Solarzellen aus ­Silizium sind starr und nicht transparent; sie lassen sich nicht auf Glasfassaden oder gekrümmte Flächen aufbringen. Dünne, flexible Solarzellen, die gleichzeitig optisch transparent sind, können Abhilfe schaffen. Ein damit verkleidetes Hochhaus erzeugt auf seiner kompletten Glasfassade fotovoltaisch Energie; ein Panoramadach im Auto sorgt nachts für einen lichtdurchfluteten Innenraum und erzeugt in der Sonne Strom für die Fahrzeugelektronik.

Um solche Visionen zu realisieren, benötigt man Materialien, die gleichzeitig flexibel, transparent und gut leitfähig sind, aber auch kostengünstig produziert werden können und lange Zeit stabil bleiben. Das ist eine Herausforderung für Materialforscher: ­Metallfolien leiten zwar den Strom gut und sind einigermaßen flexibel, aber nicht transparent. Viele Polymere dagegen sind optisch transparent, aber elektrisch isolierend. Eines der wenigen Materialien, das gute Leitfähigkeit und Transparenz kom­biniert, ist zinndotiertes Indiumoxid, kurz „ITO“. Es wird heute gern als Elektrodenmaterial in Solarzellen und Displays ein­gesetzt. Leider ist Indium aufwendig zu gewinnen und damit teuer. Zudem ist ITO ein sprödes Material und bei hohen Temperaturen am besten zu verarbeiten – ungünstige Voraussetzungen, um daraus flexible Schichten auf Kunststofffolien herzustellen.

Transparente, flexible und leitfähige Dünnschichten

Wir verfolgen deshalb einen anderen Ansatz. Wir nutzen leitfähige Metalle, stellen daraus aber mit chemischen Verfahren sehr kleine Strukturen her, sogenannte Nano­partikel. Diese Partikel sind kleiner als die Wellenlängen des sichtbaren Lichtes und wirken somit trotz ihres metallischen Charakters mehr oder weniger durchsichtig. Je nach Metall sind sie farbig, sehr kleine Goldkugeln sehen beispielsweise rot aus. Diese Metallpartikel werden mit Polymeren zu „Kompositen“ kombiniert (Abb.1).


Abb.1: Konzept einer flexiblen, transparenten und leitfähigen Folie aus Nanokomposit-Dünnschichten für die Anwendung in der Elektronik. Metallische Nanopartikel, die kleiner als die Wellen­längen des sichtbaren Lichts sind und somit das Licht nicht streuen, dienen als leitfähige Pfade in einer transparenten polymeren Matrix. Wichtig ist hierbei die gezielte Anordnung der Partikel, um ein unkontrolliertes Agglomerieren zu verhindern.

Dabei ergibt sich eine Schwierigkeit: Einzeln verteile Nanopartikel in einem Polymer ergeben kein elektrisch leitfähiges Komposit. Die Partikel müssen eng bei­einander liegen, damit eine elektrische Verbindung entsteht. Das ist an sich kein ­Problem. Im Gegenteil: Oft „verkleben“ Partikel unerwünscht zu Klumpen, ein Prozess, der als Agglomeration gefürchtet ist. Leider sind diese Klumpen meist so groß, dass sie wiederum das Licht streuen. Das Komposit wird dann milchig-trüb und der Vorteil der geringen Größe der einzelnen Partikel zunichte- gemacht. Um im Material optimierte Strukturen einzustellen, die Flexibilität, Transparenz und Leitfähigkeit ­vereinen, muss man die Agglomeration der Partikel innerhalb des Komposits genau kontrollieren und gezielt steuern.

Man kann Partikel mit Methoden der ­Mikroelektronik anordnen – wir machen das für andere Anwendungen [1]. Aber nicht für großflächig leitfähige Schichten; dafür braucht es eine preiswerte Alternative. Ideal wären funktionelle Tinten, also Mischungen aus Nanopartikeln und einem Polymer, die später großflächig auf kostengünstigen nasschemischen Verfahren wie „Rolle-zu-Rolle“-Methoden verarbeitet werden können und von sich aus strukturbildend sind. Die Partikel sollen während des Abscheideprozesses nur durch ihre gegenseitige Wechselwirkung eine bestimmte Anordnung einnehmen. Dass dies prinzi­piell möglich und auch steuerbar ist, haben wir bereits in früheren, grundlegenderen Arbeiten zeigen können [2]. Entscheidend für die Art und Weise der Anlagerung sind die „Liganden“ der Nanopartikel.

Liganden spielen Schlüsselrolle

Liganden sind meist organische Moleküle, die auf der Oberfläche der Partikel sitzen und diese stabilisieren (Abb.2). Sie beeinflussen entscheidend die Wechselwirkung zwischen Polymer, Lösemittel und Partikel. Durch geschickte Wahl der Liganden und Kombination mit Polymeren und Lösemitteln können die Wechselwirkungskräfte zwischen den Partikeln gesteuert und das Verhalten der Partikel während der Schichtbildung gezielt eingestellt werden.


Abb.2: Schematische Darstellung von Gold-Nanostäbchen umgeben von ­Liganden, welche Tunnelbarrieren für den Transport elektrischer Ladung darstellen. Durch „sanftes“ Sintern können die Liganden teilweise entfernt und somit direkter Materialkontakt zwischen den Partikeln hergestellt ­werden. Auf diese Weise kann die Leitfähigkeit des Kompositmaterials erhöht werden.

Die Liganden spielen allerdings eine zwiespältige Rolle. Man kann mit ihnen die ­Anordnung der Partikel beeinflussen, aber schon ihre bloße Anwesenheit beeinflusst die Leitfähigkeit des Komposits. Viele Liganden haben eine sehr geringe Leitfähigkeit und isolieren die Partikel voneinander. Man muss sie daher entweder sehr klein halten oder loswerden. Letzteres erreicht man mit sogenanntem „sanften Sintern“, durch das die Liganden von der Oberfläche der Partikel entfernt und somit ein direkter Materialkontakt zwischen den Partikeln hergestellt wird (Abb.2). „Sanft“ soll das Sintern sein, damit nur die Liganden entfernt werden, nicht aber die ganze Struktur zerstört wird. Denn kleine Partikel sind thermodynamisch instabil und verwachsen schnell zu großen, nicht transparenten ­Metallstrukturen, wenn man sie zu sehr ­erhitzt.

Nassbeschichten 2.0

In einer funktionierenden Solarzelle müssen die neuen Materialien schließlich in mehreren Schichten übereinander aufgebracht, strukturiert und kontaktiert sein. Die Tinten, die am INM entwickelt werden, können auf Beschichtungsanlagen verarbeitet werden, die konventionellen und weit verbreiteten Anlagen ähneln. Dazu sind Modifikationen und Ergänzungen der Anlagen nötig, an denen am INM gearbeitet wird. Es werden auch kleine Beschichter im Labormaßstab entwickelt, in denen sich Beschichtungsvorgänge direkt beobachten lassen, um Material- und Prozessentwicklung zu beschleunigen (Abb.3). Am Ende soll das „Nassbeschichten der zweiten Generation“ stehen, mit Tinten also, die sich selbst strukturieren, und Prozessen, mit denen man die gewünschte Strukturbildung unterstützen und beeinflussen kann. So lässt sich das grundlegende Verständnis der Vorgänge beim Beschichten vergrößern – und bessere Materialien zuverlässig herstellen, um der flexiblen Elektronik der Zukunft ­einen Schritt näher zu kommen.

Literatur
[1] Kraus, T. et al., (2007) Nature Nanotech. 2, 570
[2] Born, P. & Kraus, T., (2013) Phys. Rev. E 87, 062313

Foto: © Uwe Bellhäuser

Stichwörter:
Solarzelle, Materialforscher, Nanokomposit-Dünnschichten, Mikroelektronik, Abscheideprozesse, Nanopartikel, Liganden, Wechselwirkungskräfte, Polymeren, Lösemitteln, Schichtbildung, Gold-Nanostäbchen, Nassbeschichten, Beschichtungsvorgänge,

C&M 5 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 5 / 2014.
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