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Bedeutung und Einfluss der Verpackungsindustrie

Der kleine große Unterschied

Die Verpackung sichert bei vielen Produkten den Erfolg oder gewährleistet den sicheren Transport von Gütern, die in der Prozesstechnik hergestellt werden. Der Prozessschritt der Verpackung spielt also in der Wertschöpfungskette eine wichtige Rolle. Die alle drei Jahre stattfindende Messe Interpack in Düsseldorf zeigt mit fast 3.000 Ausstellern, welche enorme Bedeutung diesem Industriezweig zukommt.

chemie&more war im Gespräch mit Thomas Reiner, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Verpackungs- instituts e.V. (dvi), über den Einfluss dieses Zweigs auf die Prozesstechnik der Chemie-, Pharma- und Lebens- mittelindustrie. Herr Reiner berät neben seiner ­Tätigkeit im dvi als Geschäftsführer der international tätigen Berndt+Partner GmbH seit mehr als 20 Jahren internationale Konzerne zum Thema Verpackung.

chemie&more: Herr Reiner, vielleicht können Sie uns zunächst einmal einen Überblick geben, was sich in den letzten 20 Jahren in der Verpackungsindustrie verändert hat und uns somit aufzeigen, welchen Herausforderungen man sich in der heutigen Zeit stellen muss?

Thomas Reiner: Parallel zur Verpackung hat sich die Verpackungsindustrie in den letzten zwei Jahrzehnten weiterentwickelt und ausdifferenziert, ist internationaler, komplexer und wichtiger geworden. Dabei hat sich die Basis an sich nicht grundsätzlich geändert. Materialien, Systeme und Technologien sind durchaus vergleichbar. Aber die Verpackung hat heute ein viel breiteres Spektrum und lässt sich vom Produkt kaum noch trennen. Es sind neue Anforderungen, Funktionen und Anwendungsszenarien entstanden, z.B. in Bezug auf Marke und Marketing oder die (individualisierte) Kommunikation und den Dialog mit Konsumenten, aber auch im Hinblick auf Sicherheitsaspekte und das große Thema Nachhaltigkeit, die steigende Bedeutung des Kostenfaktors, die fortschreitende Internationalisierung, den Zwang zu Innovation oder die Entwicklung zu kürzeren Produktzyklen bei kleineren Losgrößen.


Das alles schlägt sich naturgemäß auch in der Industrie nieder. Hier z.B. bei innovativen Verbundmaterialien, Barrieren gegen Mineralölmigration und Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen, bei Digitaldruck und Printed Electronic, Antrieben und Steuerungstechniken, Automatisierung und Software, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass sich das Geschäft mit der Verpackung entwickelt hat. So steigerte sich der Produktionswert von Verpackungsmaschinen in Deutschland von rund 2,8 Mrd. Euro im Jahr 1990 auf rund 5,4 Mrd. Euro im Jahr 2008. China legte im gleichen Zeitraum um den Faktor 14 von 0,1 auf 1,4 Mrd. Euro zu. Große Verpackungsunternehmen wie Huhtamaki, Rexam, Owens-Illinois oder Tetra-Pak konnten ihren Umsatz verdoppeln, führende Unternehmen aus dem Bereich der Fast Moving Consumer Goods (FMCG) wie Coca-Cola, Kraft Foods (heute Mondelez) oder Nestlé sogar verdreifachen. Für das Geschäft mit der Verpackung werden zukünftig die Themen M&A, Change-Management, die Fähigkeit zu Veränderung und Innova­tion, Branding im B2B-Bereich und Kommunikation immer wichtiger. Entlang der gesamten Wertschöpfungskette müssen Unternehmen hier die jeweils richtigen Partner für ihre Ziele identifizieren.

Die Verpackung ist ja in zweierlei Hinsicht für die Prozesstechnik interessant. Einmal ist die Verpackung von hergestellten Gütern ein wichtiger Prozessschritt entlang der Wertschöpfungskette. Zum anderen ist die industrielle Herstellung von innovativen Verpackungsmaterialien selbst von Bedeutung. Wohin geht beim zweiten Punkt die Reise? Was sind hier die Verpackungsmaterialien der Zukunft?

Die Entwicklung der letzten Jahre wird sich fortsetzen. Das heißt, wir haben Materialien, die an sich nicht neu sind, aber immer besser werden. Leichter, dünner, nachhaltiger, besser zu recyceln, besser zu bedrucken, leichter zu verarbeiten, vielfältiger einsetzbar usw. Und wir brauchen immer weniger Material, um die gleiche oder eine bessere Wirkung zu erzielen. Innovationen werden wir auch weiterhin bei der gleichzeitigen Verwendung unterschiedlicher Materialien sehen. So bei den Verbundstoffen, die eine steigende Anzahl funktionaler Schichten verschiedener Materialien verbinden können.

Zurück zum Prozessschritt der Verpackung entlang der Wert- schöpfungskette. Die Verpackung kann manchmal die entscheidende Rolle für den Absatz des Produktes spielen. Können Sie uns anhand eines industriellen Beispiels die Wertigkeit dieses Schrittes verdeutlichen?

Ein gutes Beispiel ist sicherlich die Honigverpackung „Flotte Biene“. Das innovative Verpackungssystem der auf dem Kopf stehenden Dispersionsflasche erzeugt hohe Aufmerksamkeit und ist leicht wiederzuerkennen. Außerdem bietet sie dem Konsumenten viel Convenience bei der Dosierung und Entnahme. Diese innovative Verpackungslösung hat 2003 für einen Marktzuwachs von 23% bei Langnese gesorgt. Darüber hinaus hat sie den Markt für Honig insgesamt angeschoben. Ein interessantes Beispiel ist auch die transparente Flasche von „Beck’s Gold“. Das goldfarbene Bier ist durch das Glas sichtbar und hebt sich dadurch mit hohem Wiedererkennungsfaktor deutlich hervor. In der Handhabung gibt es trotzdem keinen Unterschied zu einer Standardbierflasche. Hier konnte durch die Verpackung eine neue Kundengruppe akquiriert werden, ohne bestehende zu kannibalisieren. Die internen Zielvorgaben wurden zu fast 200% übererfüllt. Als drittes Beispiel lohnt ein Blick auf die lichtdurchlässige Faltschachtel der „Aquafresh“-Zahncreme. Die außergewöhnliche Verpackung wurde den Konsumenten in den USA als einmaliges Verpackungsangebot präsentiert und so gezielt als Verkaufsargument eingesetzt. Mit Erfolg, wie die Zahlen belegen. Über die Verpackung konnte der Marktanteil von „Aquafresh“ von 4,5% vor dem Relaunch auf 8% gesteigert werden.

Begriffe wie „Ressourceneffizienz“, „Energieeinsparung“ oder „CO2- Neutralität“ wurden in den letzten Jahren in der Gesellschaft ausgiebig diskutiert. Welche „grünen“ Spuren hat dieser Bewussts­einswandel in der Verpackungsindustrie hinterlassen?

Das Thema Nachhaltigkeit, dem auch die von Ihnen genannten Begriffe zugerechnet werden, ist in der Verpackungsindustrie zu einem der beherrschenden Themen überhaupt geworden. Im ­Packaging Survey von DuPont (2012) wurde Nachhaltigkeit als Trend mit der höchsten Wichtigkeit und der stärksten Dynamik für das nächste Jahrzehnt identifiziert. Gerade von Markenartiklern wird Nachhaltigkeit zunehmend als ein wesentliches Differenzierungskriterium im Markt betrachtet. Die Industrie sucht hier nach substanziellen Antworten und hat auch schon einiges erreicht. Auf der Produktebene z.B. im Bereich der Materialreduzierung. Folien und PET-Flaschen werden dünner, Verschlüsse kleiner, Etiketten doppelseitig nutzbar usw. Echte Fortschritte gibt es aber auch bei alternativen Materialien oder der Art und Weise, wie das Material eingesetzt wird.

Auf der Prozessebene bietet sich ebenfalls eine Reihe von Möglichkeiten, die noch lange nicht ausgereizt sind. So z.B. bei der Frage, wie wir produzieren, welche und wie viel Energie wir dabei einsetzen, wo Energie freigesetzt und möglichst auch wieder einfangen wird usw. Oder denken wir an Dinge wie die Start-Stopp-Automatik bei Autos oder den Standby-Modus von Unterhaltungsgeräten – das geht bei vielen Maschinen so noch nicht. Was branchenübergreifend gilt: Nachhaltigkeit ist ein Querschnittsthema. Es muss also über die Ebene der Führungskräfte hinaus wirken und dazu im ganzen Unternehmen kommuniziert und umgesetzt werden.

Zum Abschluss noch eine Frage zum immer häufiger diskutierten Aspekt der Überwachung? Im Gegensatz zur NSA soll sich hier eine Überwachung jedoch positiv auswirken. Durch welche Konzepte kann die Verpackung zur besseren Nachverfolgbarkeit und Fälschungssicherheit von Industrie- produkten beitragen?

Auf der Ebene der Verpackungsfunktionen finden sich eine Reihe von wirkungsvollen Ansätzen für den Schutz des Konsumenten und der Marke vor Fälschung und Manipulation. Die Palette reicht von Hologrammen, nano-optischen Siegeln und Sicherheitsverschlüssen über Microcodes und sensitiven Lacken bzw. Farben bis hin zu Smart Labels, optischen Speichern oder synthetischer DNA. Dabei ist nicht jede Lösung für jedes Produkt bzw. jede Verpackung geeignet. So müssen die Lösungen im FMCG-Bereich gleichzeitig nachhaltig, nicht kopierbar, leicht zu verstehen und von den menschlichen Sinnen unzweideutig zu erfassen sein – und das bei zusätzlichen Kosten von maximal 1 Cent pro Verpackung.

Herr Thomas Reiner, herzlichen Dank für das Gespräch.

(Interview: Lukas Hamm)
Foto: © Fotolia.com, RCsolutions

Stichwörter:
Prozesstechnik, Verpackung, Produktzyklen, Industrie, Technologien, Systeme, Materialien, Entwicklung, Konsumenten,

C&M 2 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 2 / 2014.
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