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Konstruktiver Explosionsschutz richtig gemacht

Im Fall der Fälle

Viele Ansätze im Explosionsschutz beschäftigen sich mit dem Grundsatz, eine Explosion zu verhindern. Beim konstruktiven Explosionsschutz wird versucht Anlagenteile so auszuführen, dass selbst dann, wenn eine Explosion auftreten sollte, niemand zu Schaden kommt.

Um derartige Schutzmaßnahmen entsprechend planen zu können, ist die Kenntnis der Natur der drohenden Explosion von ­wesentlicher Bedeutung. Im konstruktiven Explosionsschutz sind die explosionstechnischen Kenngrößen wie KSt/Kg und pmax-Wert für die korrekte Auslegung unerlässlich. Diese beiden Werte kennzeichnen die Dynamik einer Explosion. Sie können anhand des Diagramms in Abbildung1 ­erklärt werden. Die blaue Kurve zeigt exemplarisch die Entwicklung des Drucks über der Zeit im Verlauf einer Explosion in einem geschlossenen Behälter. Ausgehend vom Nullpunkt, in dem die Zündung stattfindet, steigt der Druck entlang einer steilen Kurve bis zu einem Maximum an, bevor er sich wieder asymptotisch gegen Null nähert. Geht man von einer Zündung mit einem ­Gemisch optimaler Konzentration im geschlossenen Kessel aus, so wird am höchsten Punkt der Kurve der so genannte ­pmax-Wert oder auch maximale Explosionsüberdruck erreicht.

Der pmax ist für verschiedenste Staub-Luft­gemische und Gas-Luftgemische tabelliert und wird von Prüfstellen in einem definierten Verfahren ermittelt.

Ein weiterer Wert, der im Rahmen einer ­explosionstechnischen Untersuchung ermittelt werden kann, ist die sogenannte Explosions­konstante K (KSt für explosionsfähige Stäube, Kg für explosionsfähige ­Gemische von Gasen), eine Messgröße für die Steilheit des ersten Anstiegs der Druckkurve. Bei gleichem pmax-Wert können unterschiedliche Materialien unterschiedlich schnell dieses Maximum erreichen. Zündet man eine Explosion in einem Behälter mit genau 1m3, so lässt sich die Explosionskonstante K direkt als größter Anstieg der Druckkurve (dp/dtmax) ablesen.


Abb.1 Druckkurve einer Staubexplosion bei geschlossenem sowie druckentlastetem Behälter


Abb.2 konventionelle Berstscheibe


Abb. 3 und 4 Entlastungsventil für flammenlose Druckentlastung. oben: unmittelbar vor dem Ansprechen. unten: voll geöffnet

Schutzmaßnahme Explosionsdruckentlastung

Anhand des Diagramms lässt sich aber auch die Schutzmaßnahme der Explosionsdruckentlastung sehr einfach verstehen. Das Ziel der Entlastung ist es, den auftretenden Überdruck im Falle einer Explosion auf ein vorher festgelegtes Niveau, den so genannten predmax oder reduzierten maximalen Explosionsüberdruck zu senken.

Bei der Explosionsdruckentlastung werden bei einem definierten Ansprechdruck (pstat) Entlastungsflächen freigegeben, um den Überdruck in die Umgebung abzuführen (dargestellt durch die rote Kurve). Ausgehend vom Zeitpunkt der Zündung steigt der Druck an bis der Ansprechdruck der Entlastungseinrichtung pstat erreicht ist. Bei diesem Wert wird die Entlastungsfläche freigegeben und der Druckanstieg verlangsamt sich. Die frühe Druckentlastung bewirkt, dass das erreichte Maximum deutlich niedriger liegt.

Die Größe der Entlastungsflächen wird aufgrund des geforderten predmax und weiterer Parameter nach den beiden europäischen Normen

// EN 14491 Schutzsysteme zur Druckentlastung von Staubexplosionen

// EN 14994 Schutzsysteme zur Druckentlastung von Gasexplosionen

berechnet.

Für die Entlastung kommen verschiedene Lösungsansätze in Frage. Neben den bekannten Berstscheiben, die als aufplatzende Metallmembran ausgeführt werden, können hier auch Ventile eingesetzt werden.

Hoerbiger Entlastungsventile der Baureihe EV bieten eine wieder verwendbare und nahezu wartungsfreie Lösung, bei gleichzeitiger Reduktion der Flammenlauflängen gegenüber Berstscheiben.

Flammenlose Druckentlastung zum Schutz der Umgebung

Bei der Explosionsdruckentlastung mit Berstscheiben oder Berstklappen treten erhebliche Flammenwirkungen im Außenraum auf (siehe Abb. 2).

Prozessanlagen müssen teilweise auch im Inneren der Produktionshalle oder in anderen Bereichen angeordnet werden, wo die mehrere Meter austretenden Flammen im Explosionsfall eine große Gefahr darstellen.

Für diese Bereiche bietet Hoerbiger die flammenlose Explosionsdruckentlastung an. Die Entlastungsventile der Type EVN2.0 sind mit einem Flammenfilter ausgestattet und ermöglichen eine flammenlose Entlastung auch in geschlossenen Räumen.

Im Fall einer Explosion wird beim Überschreiten des statischen Ansprechdrucks, ebenso wie bei den Ventilen der EV Serie, die Ventilplatte im Inneren angehoben und die Strömung um 90° in Umfangsrichtung umgelenkt (siehe Abb. 3 und Abb. 4).

Der Flammenfilter ist am Außenumfang des Ventils angeordnet und teilt den heißen Gasstrom in kleine Teilströme auf, diese werden durch einzelne Kanäle mit definiertem Querschnitt und festgelegter Länge geführt. Bei dieser Technik wird die Wärme in das Filtermaterial übertragen und die Temperatur des Gases unter den Flammpunkt gebracht. An der Außenseite des Flammenfilters treten nur Rauch und Verbrennungsprodukte aus.

Prüfung obligat

Jede flammenlose Entlastungseinrichtung muss gemäß der europäischen Norm

// EN 16009 Einrichtungen zur flammenlosen Explosionsdruckentlastung geprüft werden.

Die wesentlichen Kriterien bei der Auslegung einer flammenlosen Entlastungseinrichtung sind in der daraufhin ausgestellten Bau­musterprüfbescheinigung („ATEX – Zertifikat“) angeführt, wobei einer der wichtigsten Parameter die Entlastungsfähigkeit ist.

Jede Entlastungsseinrichtung, auch Berstscheiben, setzen dem abströmenden Gas einen gewissen Widerstand entgegen. Die Entlastungsfähigkeit wird als Flächenwirkungsgrad in Prozent angegeben. Dieser gibt an, welcher Anteil der physisch installierten Entlastungsfläche für die Entlastung wirksam ist. Auf Grundlage dieses Wertes wird die Nennweite der Entlastungseinrichtung vergrößert, um die geforderten Flächen aus der Berechnung zur Verfügung zu stellen. Mit dem Ziel, die bei einer Explosion auftretenden Auswirkungen auf ein vorausberechnetes, ungefährliches Niveau zu senken.

Foto: © istockphoto.com| u ur aydin

Stichwörter:
Explosionsschutz, konstruktiver Explosionsschutz, Explosionsdruckentlastung, Metallmembran, Hoerbiger Entlastungsventile, EV, Flammenlose Druckentlastung, Entlastungsfläche,

C&M 5 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 5 / 2012.
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