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Funktionale Partikelsysteme für innovative Anwendungen und Verfahren

Neues an den Grenzflächen

In Erlangen ist eine einmalige Dichte an heraus­ragender Forschungs­kompetenz rund um die ­Partikeltechnologie entstanden. In einem einzigartigen Ansatz als methodisch orientierte Querschnittsdisziplin arbeitet sie mit den Fachrichtungen der Anwendungsbereiche Optik, ­Elektronik, ­Katalyse, Leichtbau und den Lebenswissenschaften eng zusammen.

Im Fokus der Partikeltechnologie stehen Methoden zur Herstellung, Verarbeitung, Formulierung und Charakterisierung von oft komplex strukturierten, mehrphasigen Produkten mit einem ganz spezifischen, für die jeweilige Anwendung charakteristischen ­Eigenschaftsprofil. Das Anwendungsfeld definiert­ die Produkteigenschaften, das, ausgehend von klassischen Bereichen der Verfahrenstechnik in der chemischen Industrie, mehr und mehr in die Bereiche Elektronik, Energietechnik, Life Science, Nanotechno­logie, optischen Technologien, Werkstoffe und Umwelttechnik ausstrahlt. Das übergeordnete Ziel besteht darin, die funktionalen Eigenschaften von Partikel­systemen gezielt einzustellen und zu steuern und die dabei ablaufenden chemischen und physikalischen Phänomene in neue verfahrenstechnische Ansätze um­zusetzen. Die wirtschaftliche Bedeutung von Partikelsystemen ist riesig: Allein in der chemischen Industrie werden ca. 2/3 aller Produkte in partikulärer Form verkauft, mehr als 80% aller Produkte waren während ­ihrer Herstellung in Kontakt mit Partikeln. Die meisten Zukunftstechnologien beruhen auf innovativen Materialsystemen (von der Batterie bis zur Solarzelle), die ohne Partikeltechnologie nicht vorstellbar sind.

Maßgeschneiderte Eigenschaften für Hochleistungsmaterialien

Mit modernsten Verfahren der Partikelsynthese in der flüssigen Phase und der Gasphase sowie mit Methoden des Zerkleinerns, des Versprühens und des Emulgierens werden Partikelsysteme ­definiert hergestellt. Die Partikel werden in Prozessketten weiter verarbeitet und so für die Anwendung quasi „fit“ gemacht. Wesentlich ist, dass die Produkteigenschaften letztlich von Partikeleigenschaften wie Größe, Form, innerer Struktur und Oberfläche abhängen (Abb. 1), deren gezielte Herstellung sowie die Prozess- und Produktoptimierung auch modellbasiert erfolgen kann.

Es gilt also, diese dispersen Eigenschaften gezielt herzustellen, ­wofür auch Modellbildung und Simulation eingesetzt werden. Überall, wo prädiktive Modelle zur Verfügung stehen, können mit­hilfe der mathematischen Optimierung Prozess- und Produktoptimierung auch modellbasiert erfolgen.


Abb.1 Zinkoxidnanopartikel mit maßgeschneiderten Morphologien für Elektronik und UV-Schutz


Abb.2 Nanomechanische Charakterisierung im Rasterelektronenmikroskop


Abb.3 Schmelzemulgieranlage zur Produktion von sphärischen
Polymermikropartikeln für die additive Fertigung


Abb.4 Siliziumdioxidpartikel mit asymmetrischer Silberbeschichtung
und neuartigen optischen Eigenschaften

Ein wichtiger Trend geht zu immer feineren Partikelgrößen. Partikel mit Größen im Bereich unterhalb von 10 µm und im Nanometerbereich sind grenzflächenbestimmt. Einen besonderen Schwerpunkt stellt daher die Steuerung von Oberflächeneigenschaften durch chemische Funktionalisierung in Flüssigkeiten oder durch Beschichten in der Gasphase (z.B. Atomic Layer Deposition) dar. Partikelwechselwirkungen werden mit modernsten Methoden physikalisch und chemisch charakterisiert, darunter auch durch die besonders grenzflächensensitive nichtlineare Spektroskopie, die Rastersondenmikroskopie oder, bisher einzigartig, die nanmechanische Charakterisierung im Rasterelektronenmikroskop (Abb. 2).

Die Herstellung der Partikel und deren Funktionalisierung sowie die Formulierung, z.B. in Form von leitfähigen oder halbleitenden Pasten oder Dispersionen erfordern skalierbare Prozesse. Daher werden vor allem kontinuierliche Verfahren entwickelt und direkt mit in-situ-Messtechnik gekoppelt. Halbtechnische Versuchsan­lagen (z.B. Fluid-Feststoff-Reaktoren, Wirbelschichten, Schmelz­emulgierung) ermöglichen die Handhabung größerer Produktmengen und das Entwickeln von Scale-up-Regeln (Abb. 3).

Interdiziplinärer Ansatz – Forschung in Prozessketten

Im Exzellenzcluster Engineering of Advanced Materials (EAM) stehen Partikel mit definierten Größen, Formen und Oberflächen­eigenschaften am Anfang der Prozesskette, die dann zu funktionalen Strukturen mit ganz spezifischen Eigenschaften zusammengebaut werden. Anwendungsbeispiele sind elektronische Bauelemente wie Feldeffekttransistoren, Leuchtdioden oder Solarzellen, opti­sche Metamaterialien, d. h. Materialien mit völlig neuen optischen Eigenschaften, Katalysatoren mit besonderer Selektivität oder Metallbleche, die durch Einarbeitung von Partikeln verbessert werden (Abb. 4).

Beispielsweise werden bei der im SFB 814 untersuchten additiven Fertigung Partikel eingesetzt, welche durch selektives Lasersintern zu dreidimensionalen Bauteilen verbunden werden. Zunächst werden u.a. Polymerpartikel durch Zerkleinern hergestellt. Diese Partikel weisen aufgrund ihrer unregelmäßigen Form ein schlechtes Fließ- und Packungsverhalten auf, das sich ungünstig auf die Eigenschaften der Sinterprodukte auswirkt. Daher werden sie in einem Flugstromreaktor unter dem Einfluss erhöhter Temperatur verrundet und zusätzlich an der Oberfläche so funktionalisiert, dass dichte Packungen entstehen können. Diese führen nach dem Sinterschritt zu optimal versinterten Formteilen.

Proteinschäume, wie sie z.B. in der Schlagsahne oder beim Bier auftreten, stellen ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der ­Lebenswissenschaften dar. Durch Einbringen von Luft entstehen Gasblasen, die zu Schaum agglomerieren. Die Stabilität dieser Gasblasen hängt von den Eigenschaften der Flüssigkeitslamellen zwischen den einzelnen Blasen ab. Diese Lamellen werden durch adsorbierte Proteine stabilisiert. Durch eine Kombination verschiedener optischer Methoden konnten die Vorgänge direkt an der Grenzfläche Wasser-Luft aufgeklärt werden. Dabei zeigte sich, dass eine optimale Schaumstabilität unmittelbar von der ­Aggregation der Proteine an der Grenzfläche bestimmt wird. ­Mikroskopische Vorgänge an Grenzflächen bestimmen also die makroskopischen Produkteigenschaften. Auch hier geht es um hierarchische Strukturen, die nur im interdisziplinären Verbund untersucht werden können.

Kristall:© fotolia.com, Xavier
Frau: © panthermedia.net, Chris Vaughan

Stichwörter:
Funktionale Partikelsysteme, Partikeltechnologie, Optik, ­Elektronik, ­Katalyse, Leichtbau, Lebenswissenschaften, Hochleistungsmaterialien, Zinkoxidnanopartikel, maßgeschneiderten Morphologien, Nanomechanische Charakterisierung, Siliziumdioxidpartikel, Atomic Layer Deposition, Rastersondenmikroskopie, Rasterelektronenmikroskop, Fluid-Feststoff-Reaktoren, Wirbelschichten, Schmelz­emulgierung, Scale-up-Regeln, Prozessketten, SFB 814,

C&M 2 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe C&M 2 / 2013.
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